Page - 151 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2017
Image of the Page - 151 -
Text of the Page - 151 -
ALJ 2/2017 Tina Ehrke-Rabel 151
physischen Anwesenheit auf einem bestimmten Markt (auf dem Territorium eines Staates) ist.1
Für die Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeiten auf einem bestimmen Markt genügt heute vielfach
die virtuelle Präsenz im Internet. Außerdem haben sich die Wirtschaftstätigkeiten als solche ver-
ändert. Was vor zehn Jahren noch als Verschaffung der Verfügungsmacht über einen körperli-
chen Gegenstand, etwa einer Musik-CD, bewirkt wurde, ist heute eine Dienstleistung, etwa in der
Form der ZurverfĂĽgungstellung eines Musikdownloads ĂĽber das Internet oder gar eines Abon-
nements bei einem Online-Musikkanal.
Die meisten Steuerrechtsbestimmungen, wie sie heute existieren, wurden in Zeiten entwickelt, in
denen es noch kein Internet gab, in denen der Handel zwischen den Staaten noch stark be-
schränkt war und in denen der Dienstleistungssektor im Verhältnis zum Warensektor klein und
vorwiegend auf Tätigkeiten beschränkt war, die eine physische Präsenz des Dienstleisters gegen-
über dem Dienstleistungsempfänger vorausgesetzt haben. Dementsprechend knüpfen viele
Steuerrechtsbestimmungen nach wie vor an physische Vorgänge an. So werden etwa Einkünfte
eines ausländischen Warenanbieters im Inland nach den Regeln des internationalen Steuerrechts
nur besteuert, wenn dieser Warenanbieter im Inland ĂĽber eine feste Niederlassung, eine sog
Betriebsstätte oder wenigstens einen ständigen Vertreter verfügt.2 Vertreibt also heute ein au-
ßerhalb Österreichs ansässiger Händler seine Waren über ein Onlineportal in Österreich und
liefert die Waren nicht über eine österreichische Betriebsstätte aus, unterliegen die aus den Ver-
käufen in Österreich erzielten Gewinne nicht der Ertragsteuer in Österreich.3 Es bleibt bei der
alleinigen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Dies wird zunehmend als ungerecht empfunden.
Eine Besteuerung im Inland würde eine Veränderung des internationalen Steuerrechts verlan-
gen.4 Überlegungen im Zusammenhang mit sog digitalen Betriebsstätten müssen jedoch erst zu
Ende gedacht werden, scheitert die Anknüpfung an digitale Realitäten ohne physischen Bezugs-
punkt im Inland doch meistens am effizienten Vollzug in Ă–sterreich.
Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht etwa unterliegt dieser ausländische Warenanbieter ohne Be-
triebsstätte in Österreich nämlich der Umsatzsteuer in Österreich.5 Leicht zu vollziehen ist dies
jedoch nicht, wenn der ausländische Anbieter seine steuerrechtlichen Pflichten in Österreich
nicht freiwillig erfĂĽllt, dh selbst aktiv mitwirkt. Dass er dazu nach den allgemeinen Bestimmungen
1 OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1:
2015 Final Report, 15 f; Kofler/Mayr/Schlager, Digitalisierung und Betriebsstättenkonzept, RdW 2017, 369; Ehrke-
Rabel, Steuervollzug im Umbruch, StuW 2015, 101.
2 Sog „Betriebsstättenregel“; dazu Kofler/Mayr/Schlager, RdW 2017, 369.
3 Dies ergibt sich aus den von Ă–sterreich groĂźteils in Ăśbereinstimmung mit Art 7 des Musterabkommens der
OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossenen bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen.
Nach Art 7 Abs 1 OECD-MA werden Unternehmensgewinne nur dann und nur insoweit (auch) im Quellenstaat
besteuert, wenn und als sie einer dort gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Die Betriebstätte wird in Art 5
OECD-MA definiert und setzt – verallgemeinernd definiert – eine gewissermaßen dauerhafte physische Präsenz
im Quellenstaat voraus.
4 Kofler/Mayr/Schlager, RdW 2017, 379.
5 Das Umsatzsteuerrecht folgt grundsätzlich dem sog „Bestimmungslandprinzip“. Danach unterliegen Warenliefe-
rungen im Bestimmungsland der Umsatzsteuer. Ist der Empfänger der Lieferung ein Unternehmer, ist der Voll-
zug leicht möglich, weil die Steuerschuld grundsätzlich den empfangenden Unternehmer trifft (sog „innerge-
meinschaftlicher Erwerb“ gem Art 1 Abs 1 UStG oder Einfuhr aus dem Drittland gem § 1 Abs 1 Z 2 UStG). Ist der
Leistungsempfänger hingegen ein Privater und stammt die Ware aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet, so ver-
lagert sich im Regelfall der Lieferort des ausländischen Lieferanten nach Österreich. Dieser muss dann österrei-
chische Umsatzsteuer in Rechnung stellen, sich in Ă–sterreich registrieren und die Umsatzsteuer in Ă–sterreich ab-
liefern (Art 3 Abs 3 ff UStG). Hält er sich nicht an seine Pflichten, ist es für die Finanzverwaltung schwer, die Ver-
kĂĽrzung zu entdecken.
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 2/2017"
Austrian Law Journal
Volume 2/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 108
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal