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ALJ 2/2017 Der digitalisierte Steuerpflichtige 158
automatisiert erlassene Bescheid die vom Steuerpflichtigen übermittelten Daten ohne Abwei-
chungen übernimmt (sog „erklärungskonforme Veranlagung“). Nur dann, wenn von den übermit-
telten Daten abgewichen werden soll, dann verpflichtet bereits das einfache Recht zur Wahrung
des Parteiengehörs, wenngleich der Schutz gegen Verstöße ein relativ geringer ist, weil Verstöße
im Rechtsmittelverfahren saniert werden können.44 Im Anwendungsbereich des Unionsrechts gilt
dies jedenfalls auch nach dem aus den Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten abgeleiteten Recht
auf gute Verwaltung.45
Einer automatischen Bescheidausfertigung in Abweichung von den durch den Abgabepflichtigen
übermittelten Daten dürfte – ohne entsprechend gesetzliche Ausgestaltung – aber auch das
Grundrecht auf Datenschutz entgegenstehen: Nach Art 22 Abs 1 DSG-VO hat die betroffene Per-
son das Recht, nicht einer auf einer ausschließlich automatisierten Verarbeitung beruhenden
Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in
ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Diese Beschränkung steht unter Gesetzesvorbehalt und
dürfte durchbrochen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist und die entsprechenden
Rechtsvorschriften angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der
berechtigten Interessen der Partei enthalten (Art 22 Abs 2 lit b DSG-VO). § 114 Abs 4 BAO wäre
dafür jedenfalls keine hinreichende Grundlage.
Außerdem könnten auch im Fall bereits erlassener Bescheide die zugrunde gelegten Daten einer
Datenverarbeitung unterworfen werden, um die Auswahl von Betriebsprüfungsfällen effizient auf
Risikofälle zu konzentrieren. Dass dies in Österreich bereits geschieht, deutet ein Hinweis auf der
Homepage des BMF an. Unter dem Stichwort „Predictive Analytics Competence Center (PACC)“ findet
sich folgende Aussage:
„Das PACC soll eine risikoorientierte Einsatzlenkung ausgehend von einer nach neuesten wissen-
schaftlichen Methoden durchgeführten Risikobeurteilung der Abgabenprozesse und damit ver-
bundenen Vorhersagen der erforderlichen Kontroll- und Prüfungsmaßnahmen verantworten
und durch eine ganzheitliche Evaluierung der Ergebnisse dieser Maßnahmen auch zu deren Opti-
mierung beitragen. Mit mathematisch-statistischen Analysemethoden soll die Trefferquote bei
der Fallauswahl in der Betrugsbekämpfung in den nächsten Jahren erhöht werden.
Das Ziel der Nutzung von Big Data-Informationen sind datengetriebene Entscheidungen. Daher
werden innovative und kreative Analysemethoden erforderlich, wie zB Datamining, Predictive
Analytics, Simulationen und Szenarienforschung [...].“
Wie Predictive Analytics in der österreichischen Finanzverwaltung funktioniert, erläutert Setnicka46
im Detail.
Bei diesen Analysen kann es sich durchaus um sog „Profiling“ handeln. Darunter versteht die
DSG-VO „jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass
diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf
eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich Arbeitsleistung, wirt-
44 Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe (Hrsg), Steuerrecht II14 (2014) Tz 1304.
45 Dazu Gunacker-Slawitsch, Das Grundrecht auf eine „gute Verwaltung“ im Abgabenverfahren (Teil 2), ÖStZ 2015,
301.
46 Predictive Analytics in der österreichischen Finanzverwaltung, in Mayr/Pinzger (Hrsg), INFORMATIK 2016: Lector
Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik (2016) 629.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 108
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal