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Weshalb es nach römischem Recht unzulässig war, einen Kaufvertrag konsensual
aufzuheben, wenn dieser nicht war, wird in der Sekundärliteratur unterschiedlich
erklärt: 101 und 102 führen die Einschränkung darauf zurück, dass die
klassischen Juristen scharf zwischen dem rechtsbegründenden Akt (bei der
der erzielte Konsens) und den daraus resultierenden Obligationen unterschieden. Während
die Verbindlichkeiten des Verkäufers und des Käufers va103 durch ein
104 werden konnten, habe ein tsache
des Kontraktsschlusses als tatsächlichen Vorgang ungeschehen [gemacht]; er beseitigt aber
105 Samt ihrer Wurzel konnte man eine nur dann
aufheben, wenn sie war106). 107 erklärt die Restriktion historisch; nämlich
als Fortwirkung eines Rechtsgedankens aus der vorklassischen Zeit, in welcher der Barkauf
als Ritualakt angesehen wurde, der einmal korrekt gesetzt nicht mehr aus der Welt
geschaffen werden konnte. 108 und 109 weisen darauf hin: Die
Verbindlichkeiten aus einer erlöschen mit ihrer Erfüllung. Danach sei für
einen kein Aufhebungsgegenstand mehr vorhanden gewesen. Dem
folgt 110, der eine plausible Erklärung nachliefert, weshalb auf Basis dieser Deutung
auch (teilweise) einseitige Erfüllung von Kaufverträgen deren konsensuale Aufhebung
ließ nicht zu, daß
aus einer auf wechselseitige Befreiung gerichteten Vereinbarung nur eine Partei den Vorteil
111
Welcher dieser Ansichten beizupflichten ist, kann im Rahmen dieser Abhandlung
dahingestellt bleiben. Zu beachten ist jedoch, dass bereits die römischen Juristen wie
112 nachgewiesen hat die Möglichkeit zuließen, den Status eines Kaufvertrags als
101 Contrarius consensus, SZ 42 (1921) 68 (70 f, 90).
102 Rechtsakt 45-47.
103 Daneben bestand die Möglichkeit, die Verbindlichkeiten von Verkäufer und Käufer durch eine zu tilgen;
allerdings war die Tilgungswirkung einer solchen nach ihrer Formel nicht auf einzelne Klagen beschränkt, sondern umfasste
sämtliche Ansprüche einer Person gegen eine andere (s zur Formel: Flor. D. 46,4,18,1; Inst. 3,29,2; eingehend zur
angesprochenen Rechtsfigur , Stipulatio Aquiliana: Textgestalt und Tragweite der Aquilianischen Ausgleichsquittung
im klassischen römischen Recht [1972] passim).
104 Freilich nur in einem untechnischen Sinn, weil ein die Verbindlichkeit bekanntlich nicht tilgt, sondern
wegen seiner honorarrechtlichen Natur bloß Exzeptionswirkungen entfaltete. Allerdings fallen sowohl die Klage des
Verkäufers ( ) als auch jene des Käufers ( ) in die Kategorie der , deren Formeln die
(bzw ) inhärent war, sodass man sich im Ergebnis einer Tilgungswirkung annähert (s zu all dem mit Quellen-
und Literaturbelegen: , Römisches Privatrecht I² 642 [§ 150 II.3.b]).
105 , Rechtsakt 46; ebenso , SZ 42, 71 f.
106 Im Ansatz bereits , Die Kündigung nach deutschem und österreichischem Recht, JherJb 76 (1926) 317 (376). Die
ohne Quellenbeleg aufgestellte Hypothese des Autors, dass dem römischen Recht der Gedanke einer rückwirkenden
Aufhebung von Obligationen gemeinhin fremd gewesen sei, trifft jedoch nicht zu.
107 In FS Wesener 308; ebenso
Nachw zu dieser Ansicht bei , Contrarius consensus 58 FN 5.
108 Die formlose Vereinbarung der Aufhebung eines Vertragsverhältnisses im römischen Recht, SZ 44 (1924) 1 (34, 58).
109 Das sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten des klassischen römischen Rechts (1965) 80.
110 Contrarius consensus 57-60.
111 , Contrarius consensus 59. Diese Ansicht findet in Pomp. D. 18,5,1 eine Stütze.
112 , Contrarius consensus 44-
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Austrian Law Journal
Volume 2/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 48
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal