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ALJ 2021 Redintegration 171
Diese allgemeinen Ausführungen beantworten die Frage, ob die im römischen Recht
anerkannte und von fĂĽr das Recht der Selbstberichtigung befĂĽrwortete
Option, den Zustand eines Geschäfts als nachträglich wiederherzustellen, Eingang
ins Irrtumsrecht des ABGB gefunden hat: Zwar befand sich das deutsche BGB 1888 als
seine These publizierte noch im Entwurfsstadium.153 verfolgte also anders
als der zitierte Passus suggeriert gewiss nicht die Absicht, die §§ 871, 876 ABGB an die
einschlägigen Bestimmungen des BGB anzupassen. Allerdings betonen die Mitglieder des
Herrenhauses zu Recht, dass Lehre zur Selbstberichtigung in Kombination
mit der von ihm befürworteten Redintegrationsmöglichkeit154 im Ergebnis weitgehend dem
System der zwischenzeitlich kodifizierten §§ 119, 122 BGB entspricht. Damit lässt sich der
Wille des historischen Gesetzgebers wie folgt rekonstruieren: Man positivierte in § 871 ABGB
zwar das Recht der Selbstberichtigung ;155 zugleich sprach man sich jedoch gegen
die Möglichkeit aus, Rechtsgeschäfte nachträglich durch Ersatz des Vertrauensschadens in
den Zustand zurĂĽckzuversetzen.
156 Diese Erkenntnis lässt auch die restriktiveren
Redintegrationslehren in einem anderen Licht erscheinen.
IV. Stellungnahme zur beweglichen Redintegrationslehre von
Wie gezeigt, befürwortet bei zweiseitig verbindlichen Geschäften eine
Redintegration nach MaĂźgabe eines : Sie sei erstens umso eher zu
befürworten, je verlässlicher sich der Vertrauensschaden des Anfechtungsgegners ermitteln
lasse, und zweitens umso eher, je gravierender eine etwaige Äquivalenzstörung zwischen
Leistung und Gegenleistung zulasten des Irrenden ausfällt.157 Diese Position scheint schon
allein deshalb fragwürdig, weil sie zwar in eingeschränkter Form, aber eben doch eine
Rechtsfigur bejaht, die der Gesetzgeber nicht ins ABGB eingefĂĽhrt hat. Im Ăśbrigen scheinen
auch die beiden Kriterien angreifbar.
A. Zum Kriterium der Feststellbarkeit des Vertrauensschadens
Nach
158 Fraglich ist zunächst, ob die befürchteten
153 Der erste Entwurf des BGB wurde bekanntlich im Dezember 1887 veröffentlicht. Ausführlich zur Entwicklung des
Irrtumsrechts des BGB von der Einsetzung der ersten Kommission am 17. September 1874 bis zum Inkrafttreten des BGB:
, Irrtum 607-698.
154 Die freilich selbst nicht so bezeichnet.
155 HHB 257.
156 HHB 256.
157 Dazu oben Pkt II.B.
158 in FS H. Stoll 135.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 48
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal