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ALJ 3/2017 Helmut Koziol 181
der beiden Ereignisse tatsÀchlich kausal war, jeden Ersatzanspruch verliere oder dass der SchÀdiger
ungeachtet der gar nicht feststehenden KausalitÀt seines Verhaltens dem GeschÀdigten vollen Ersatz zu
leisten habe. Beides widersprÀche aber den tragenden GrundsÀtzen des österreichischen Schadener-
satzrechtes.â â
Die Teilhaftungslösung findet auch international zunehmend Anerkennung.68 Auch die EGTL hat
diese Gedanken aufgenommen und in den PETL berĂŒcksichtigt (Art 3:10669). UnterstĂŒtzung er-
fĂ€hrt diese Lösung auch durch die Ăkonomische Analyse des Rechts.70
C. Die Reduktionsklausel
Ein weiteres Beispiel fĂŒr eine Abkehr vom Alles-oderâNichts-Prinzip bietet die âReduktionsklau-
selâ. Als Grundregel sehen die GesetzbĂŒcher den vollen Ausgleich des vom verantwortlichen
SchÀdiger verursachten Schadens vor. Einige europÀische Kodifikationen kennen jedoch schon
heute eine Herabsetzung des Ersatzes.71 So hat der Richter nach Art 43 Abs 1 des schweizeri-
schen OR nicht nur ganz allgemein die GröĂe des Ersatzes unter BerĂŒcksichtigung der UmstĂ€nde
und der Schwere des Verschuldens festzusetzen, sondern er kann gem Art 44 Abs 2 leg cit die
Ersatzpflicht auch mĂ€Ăigen, wenn der Schaden nicht grob schuldhaft verursacht wurde und der
Ersatzpflichtige durch die Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt wĂŒrde. Eine Ă€hnliche
Bestimmung enthÀlt Art 6.282 des litauischen Gesetzbuchs. Art 6:109 des niederlÀndischen Bur-
gerlijk Wetboek sieht die MĂ€Ăigung nur fĂŒr AusnahmefĂ€lle vor, wobei es die Voraussetzung nur
sehr vage umschreibt: Der Richter kann die gesetzliche Verpflichtung zur VergĂŒtung des Scha-
dens mĂ€Ăigen, wenn die Auferlegung vollen Schadenersatzes unter den gegebenen UmstĂ€nden
zu offenkundig unannehmbaren Folgen fĂŒhren wĂŒrde. In einigen anderen Rechtsordnungen wird
ohne ausdrĂŒckliche gesetzliche Anordnung in AusnahmefĂ€llen eine Reduktion der Ersatzpflicht
zugelassen.72
Eine Reduktionsklausel fĂŒr auĂergewöhnliche FĂ€lle findet sich auch in Art 10:401 PETL, in Art
6.202 DCFR und im österreichischen Diskussionsentwurf, dessen § 1318 lautet: âDie Ersatzpflicht
kann ausnahmsweise gemindert werden, wenn sie den SchĂ€diger unverhĂ€ltnismĂ€Ăig und drĂŒckend
belastet und ein bloà teilweiser Ersatz dem GeschÀdigten zumutbar ist. Dabei sind das Gewicht der
ZurechnungsgrĂŒnde, die wirtschaftlichen VerhĂ€ltnisse des GeschĂ€digten und des SchĂ€digers sowie die
von diesem erlangten Vorteile zu berĂŒcksichtigen.â Der Entwurf macht somit deutlich, dass dem
GeschĂ€digten grundsĂ€tzlich voller Ersatz gebĂŒhrt und nur ausnahmsweise eine Reduzierung
zulÀssig ist.
68 Siehe die Nachweise in Koziol, Grundfragen Rz 5/92.
69 Art 3:106 Uncertain causes within the victimâs sphere. The victim has to bear his loss to the extent corresponding to the
likelihood that it may have been caused by an activity, occurrence or other circumstance within his own sphere.
70 Faure/Bruggeman, Causal Uncertainty and Proportional Liability, in Tichy (Hrsg), Causation in Law (2007) 105
(108 ff).
71 Siehe dazu Finke, Die Minderung der Schadensersatzpflicht in Europa (2006).
72 Zu Deutschland siehe Canaris, VerstöĂe gegen das verfassungsrechtliche ĂbermaĂverbot im Recht der GeschĂ€fts-
fĂ€higkeit und im Schadensersatzrecht, JZ 1987, 993 (995, 1001 f); zu Ăsterreich F Bydlinski, System 226 und
233; Koziol, Haftpflichtrecht I3 (1997) Rz 7/7 ff.
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Austrian Law Journal
Volume 3/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 3/2017
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 66
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal