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ALJ 3/2017 „Zusatzprotokolle“ versus „Änderungsprotokolle“ zur EMRK 187
nach der zehnten Ratifikation in Kraft treten. Das Protokoll Nr 16 wurde dann auch als „Zusatz-
protokoll“ und nicht als „Änderungsprotokoll“ ausgestaltet und verabschiedet.
V. Fazit
Aus diesen kurzen Betrachtungen geht sehr anschaulich der grundlegende Unterschied zwischen
„Zusatz“- und „Änderungsprotokollen“ hervor. Wenn es sich um verfahrensmäßige Änderungen
am Text der EMRK selbst handelt, kann dies nur durch ein „Änderungsprotokoll“ effektuiert wer-
den, das von allen 47 Mitgliedstaaten konsentiert werden muss und dessen Inkrafttreten sich
dementsprechend zeitaufwändig gestaltet. Versteht sich hingegen eine „Avantgarde“ unter den
Mitgliedstaaten dazu, für sich exklusivere und rascher zu bewerkstelligende zusätzliche meritori-
sche Verpflichtungen im Bereich des Menschenrechtsschutzes einzugehen, dann einigt sich diese
Gruppe von Mitgliedstaaten auf ein bloßes „Zusatzprotokoll“, das die EMRK nicht ändert oder
inhaltlich ergänzt, sondern neben ihr nur zusätzliche und mit ihr kompatible Verpflichtungen für
eine (kleinere) Gruppe von Mitgliedstaaten statuiert.
Insofern sind beide Typen von Protokollen zur EMRK genau auseinanderzuhalten und dĂĽrfen
nicht, wie vorstehend erwähnt wurde, als ein und dasselbe Phänomen, nämlich eine „Ergänzung“
der EMRK in Form von „Zusatzprotokollen“ – allerdings in Form von zwei Unterfällen – qualifiziert
werden. Es wäre für ein grundlegendes Verständnis wichtig, dass die sachlogisch strikte Tren-
nung in „Zusatz“- und „Änderungsprotokolle“ samt ihren Konsequenzen in Zukunft in allen
offiziellen Verlautbarungen und einschlägigen Publikationen strikter durchgehalten werden würde.
Das (technische) Kriterium fĂĽr eine sachgerechte Unterscheidung beider Typen von Protokollen
ist dabei vor allem der Umstand, ob das jeweilige Protokoll von allen 47 Mitgliedstaaten verpflich-
tend zu ratifizieren ist oder nicht. Ist das der Fall, handelt es sich um ein „Änderungsprotokoll“,
ansonsten liegt nur ein „Zusatzprotokoll“ vor.
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Austrian Law Journal
Volume 3/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 3/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 66
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal