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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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gleichsam allen zu: sie sog Aufmerksamkeit, LĂ€cheln, Anblick von jedem, der vorĂŒberging und gleichsam von der ganzen Masse des MĂ€nnlichen ringsum ein. Ihr Blick war ununterbrochen wanderhaft, bald suchte er die TribĂŒnen entlang, um dann plötzlich, freudigen Erkennens, einen Gruß zu erwidern, bald streifte er – wĂ€hrend sie dem Offizier immer lĂ€chelnd und eitel zuhörte – nach rechts, bald nach links. Nur mich, der ich, von ihrem Begleiter gedeckt, unter ihrem Blickfeld lag, hatte er noch nicht angerĂŒhrt. Das Ă€rgerte mich. Ich stand auf – sie sah mich nicht. Ich drĂ€ngte mich nĂ€her – nun blickte sie wieder zu den TribĂŒnen hinauf. Da trat ich entschlossen zu ihr hin, lĂŒftete den Hut gegen ihren Begleiter und bot ihr meinen Sessel an. Sie blickte mir erstaunt entgegen, ein lĂ€chelnder Glanz ĂŒberflog ihre Augen, schmeichlerisch bog sie die Lippe zu einem LĂ€cheln. Aber dann dankte sie nur kurz und nahm den Sessel, ohne sich zu setzen. Bloß den ĂŒppigen, bis zum Ellbogen entblĂ¶ĂŸten Arm stĂŒtzte sie weich an die Lehne und nĂŒtzte die leichte Biegung ihres Körpers, um seine Formen sichtbarer zu zeigen. Der Arger ĂŒber meine falsche Psychologie war lĂ€ngst vergessen, mich reizte nur das Spiel mit dieser Frau. Ich trat etwas zurĂŒck an die Wand der TribĂŒne, wo ich sie frei und doch unauffĂ€llig fixieren konnte, stemmte mich auf meinen Stock und suchte mit den Augen die ihren. Sie merkte es, drehte sich ein wenig meinem Beobachtungsplatze zu, aber doch so, daß diese Bewegung eine ganz zufĂ€llige schien, wehrte mir nicht, antwortete mir gelegentlich und doch unverpflichtend. UnablĂ€ssig gingen ihre Augen im Kreise, alles rĂŒhrten sie an, nichts hielten sie fest – war ich es allein, dem sie begegnend ein schwarzes LĂ€cheln zustrahlten oder gab sie es an jeden? Das war nicht zu unterscheiden, und eben diese Ungewißheit irritierte mich. In den Intervallen, wo wie ein Blinkfeuer ihr Blick mich anstrahlte, schien er voll Verheißung, aber mit der gleichen stahlglĂ€nzenden Pupille parierte sie auch ohne jede Wahl jeden anderen Blick, der ihr zuflog, ganz nur aus koketter Freude am Spiel, vor allem aber, ohne dabei fĂŒr eine Sekunde scheinbar interessiert das GesprĂ€ch ihres Begleiters zu verabsĂ€umen. Etwas blendend Freches war in diesen leidenschaftlichen Paraden, eine VirtuositĂ€t der Koketterie oder ein ausbrechender Überschuß an Sinnlichkeit. UnwillkĂŒrlich trat ich einen Schritt nĂ€her: ihre kalte Frechheit war in mich ĂŒbergegangen. Ich sah ihr nicht mehr in die Augen, sondern griff sie fachmĂ€nnisch von oben bis unten ab, riß ihr mit dem Blick die Kleider auf und spĂŒrte sie nackt. Sie folgte meinem Blick, ohne irgendwie beleidigt zu sein, lĂ€chelte mit den Mundwinkeln zu dem plaudernden Offizier, aber ich merkte, daß dies wissende LĂ€cheln meine Absicht quittierte. Und wie ich jetzt auf ihren Fuß sah, der klein und zart unter dem weißen Kleide vorlugte, streifte sie mit dem Blick lĂ€ssig nachprĂŒfend ihr Kleid hinab. Dann, im nĂ€chsten Augenblick hob sie wie zufĂ€llig den Fuß und stellte ihn auf die erste 78
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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