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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Page - 81 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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so keuchen sah, ein unanständiger und unappetitlicher Gedanke, ich stellte ihn mir in ehelichem Alleinsein mit seiner Gattin vor, und übermütig geworden an dieser Vorstellung, lächelte ich geradeaus in ihrem kaum mehr beherrschten Zorn. Sie stand da, jetzt wieder blaß und ungeduldig und kaum mehr sich beherrschen könnend, – endlich hatte ich doch ein wahres, ein wirkliches Gefühl ihr entrissen: Haß, unbändigen Zorn! Ich hätte mir diese boshafte Szene am liebsten ins Unendliche verlängert; mit kalter Wollust sah ich zu, wie er sich quälte, um Stück für Stück seiner Ticketts zusammenzuklauben. Mir saß irgendein schnurriger Teufel in der Kehle, der immer kicherte und ein Lachen herauskollern wollte – am liebsten hätte ich ihn herausgelacht oder diese weiche krabbelnde Fleischmasse ein wenig mit dem Stock gekitzelt: ich konnte mich eigentlich nicht erinnern, jemals so von Bosheit besessen gewesen zu sein, wie in diesem funkelnden Triumph der Erniedrigung über diese frechspielende Frau. Aber jetzt schien der Unglückselige endlich alle seine Ticketts zusammengerafft zu haben, nur eines, ein blaues, war weiter fortgeflogen und lag knapp vor mir auf dem Boden. Er drehte sich keuchend herum, suchte mit seinen kurzsichtigen Augen – der Zwicker saß ihm ganz vorne auf der schweißbenetzten Nase und diese Sekunde benützte meine spitzbübisch aufgeregte Bosheit zur Verlängerung seiner lächerlichen Anstrengung: ich schob, einem schuljungenhaften Übermut willenlos gehorchend, den Fuß rasch vor und setzte die Sohle auf das Tickett, so daß er es bei bester Bemühung nicht finden konnte, so lange mirs beliebte, ihn suchen zu lassen. Und er suchte und suchte unentwegt, überzählte dazwischen verschnaufend immer wieder die farbigen Pappendeckelzettel: es war sichtlich, daß einer – meiner! – ihm noch fehlte, und schon wollte er inmitten des anbrausenden Getümmels wieder mit der Suche anheben, als seine Frau, die mit einem verbissenen Ausdruck meinen höhnischen Seitenblick krampfhaft vermied, ihre zornige Ungeduld nicht mehr zügeln konnte »Lajos!« rief sie ihm plötzlich herrisch zu, und er fuhr auf wie ein Pferd, das die Trompete hört, blickte noch einmal suchend auf die Erde – mir war es, als kitzelte mich das verborgene Tickett unter der Sohle, und ich konnte einen Lachreiz kaum verbergen dann wandte er sich seiner Frau gehorsam zu, die ihn mit einer gewissen ostentativen Eile von mir weg in das immer stärker aufschäumende Getümmel zog. Ich blieb zurück ohne jedwedes Verlangen, den beiden zu folgen. Die Episode war für mich beendet, das Gefühl jener erotischen Spannung hatte sich wohltuend ins Heitere gelöst, alle Erregung war von mir geglitten und nichts zurückgeblieben als die gesunde Sattheit der plötzlich vorgebrochenen Bosheit, eine freche, fast übermütige Selbstzufriedenheit über den gelungenen Streich. Vorne drängten sich die Menschen dicht zusammen, schon begann 81
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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