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3Â Â Â AntimuslimischerRassismusalsanalytischesKonzept 75
rassistischenMassenmörders Anders Breivik, der Versatzstücke beider ras-
sistischenTraditionenkombiniert (Bangstad 2014). Insgesamt spricht vieles
dafür, die Spezifizität des Antisemitismus anzuerkennen und ihn zugleich
als Teil der langenGeschichte der Rassismen zu verstehen.Wennwir Ras-
sismus als gesellschaftlichen Praxiszusammenhang verstehen, der ›Andere‹
sowohl imModusderDämonisierungalsauch in jenemder Inferiorisierung
hervorbringt,könnendiehier skizziertenÜberlegungenzurFunktionsweise
des Antisemitismus sehr wohl fĂĽr die Analyse anderer Rassismen nutzbar
gemachtwerden.Dass es nicht die Erfahrung ist, die denAnderen hervor-
bringt,sondernder ›Begriff‹,das ›Bild‹–inunsererTerminologie:die ›Figur‹
–des/derAnderen»dieErfahrungbeleuchtet«,wieSartre formuliert, ist von
grundlegender Bedeutung fĂĽr jede kritische Analyse des antimuslimischen
Rassismus.
BeiSartreebensowiebeiHorkheimerundAdornoistdieAnalysedesAn-
tisemitismusjeweilsTeileinerumfassendenGesellschaftstheorieund-kritik.
Beide Arbeiten kennzeichnet der Versuch, vonder Psychoanalyse entdeckte
Mechanismender individuellenSubjektkonstitutionund -pathologie–Pro-
jektion,Verdrängung,Übertragung,Paranoia–mitderAnalysegesellschaft-
licher Verhältnisse zu verbinden. Daraus könnte geschlossen werden, dass
dem ›irrationalen‹ Antisemitismus eben Rationalität, Bildung und Reflexi-
onentgegengesetztwerdenmüssten.Damitwärenwirwiederumdenratio-
nalistischenAnnahmender sozialpsychologischenVorurteilsforschungnahe
(Demirović 1992: 93). Entscheidend ist jedoch, dass sowohl Sartre als auch
HorkheimerundAdornonicht einegrundsätzlich rational eingerichteteGe-
sellschaft einer individuellen oder kollektiven irrationalen Abirrung entge-
genstellen,sonderndavonausgehen,dassder»Irrationalismus« (Sartre 1994
[1944]: 19) bzw. das »kranke Bewußtsein« (Horkheimer/Adorno 2000 [1944]:
240) des Antisemitismus den irrationalen Charakter der gesellschaftlichen
Verhältnisse spiegelt.HorkheimerundAdornogehenhier amweitesten, für
sie istderAntisemitismusnotwendigkrankesBewusstsein imSpätkapitalis-
mus.Problematischistdaran,dassnieerklärtwird,wiedieVermittlungzwi-
schen gesellschaftlicher Struktur und Persönlichkeitsstruktur funktioniert,
wieMarkTerkessidiskritischzuAdornoundHorkheimeranmerkt: »Dieall-
gemeineGeteiltheit derVorurteile […] kanndannentwederüberhauptnicht
mehr erklärtwerdenoderwird,wie inderDialektik [derAufklärung,Anm.
B.O.],zumsubjektiviertenProblemder ›bürgerlichenZivilisation‹« (Terkessi-
dis 1998: 25).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Ă–sterreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik