Page - 209 - in Im Namen der Emanzipation - Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
Image of the Page - 209 -
Text of the Page - 209 -
6Â Â Â VonderKulturalisierungzurTemporalisierung 209
fĂĽr Andere.Hier ist besonders relevant, dass Schinkels diesemKonzept der
»Society as Yardstick« (Schinkel 2017: 95) eine zeitlicheDimension verleiht,
indemdiedemIntegrationsbegriffzugrundeliegende»society/outsidesocie-
ty differentiation« indieZukunft projiziertwürde (Schinkel 2017: 104).Dies
geschehe dort,woMenschen, die in einer Gesellschaft geboren und aufge-
wachsensind,Integration indieselbeGesellschaftabverlangtwerde–indem
sie statistisch alsMigrantInnender zweitenoderdrittenGeneration erfasst
werden: »This is, of course, paradoxical, as ›second generation immigrants‹
havenot immigratedat all.But it allows foranextrapolation into the future
ofameasurablepopulation, the identificationofwhichfacilitates the identi-
ficationof themirror imageof ›society‹« (Schinkel 2017: 104).Schinkelnennt
diesen Aspekt des Integrationsdiskurses »Genealogisierung«. Ich verwende
ihnhier inähnlicherAbsicht,umeinebestimmteFormderKulturalisierung
des/dermuslimischenAnderenzukennzeichnen.Wieindenobendargestell-
tenAusschnittenwerdendabeiMuslimInnenalsAnderemarkiert, indemsie
in eineGenealogie kultureller Vererbung eingeschriebenwerden. Entschei-
dend fĂĽrdenMechanismusderGenealogisierung ist,wie bei Schinkel, dass
bestimmte gesellschaftliche Konflikte nicht als Probleme in einerGesellschaft
dargestelltwerden,sondernalsProbleme,dieeinerGesellschaftvonauĂźenge-
machtwerden.Dieses ›Außen‹ wird vonMenschen repräsentiert, die selbst
häufig innerhalb dieser Gesellschaft geboren und aufgewachsen sind, aber
als ihräußerlichquaGenealogiemarkiertwerden.ErstdieserMechanismus
derGenealogisierung erklärt,wiesoThemenwie Jugendkriminalität in die-
ser Form in einem Interview aufgerufenwerden, in demnach demThema
»Muslime inÖsterreich«gefragtwird.
Ein genauer Blick bringt also unterschiedliche Mechanismen der Kul-
turalisierung des/dermuslimischenAnderen zumVorschein, die durch das
Rassifizierungs-Paradigma nicht angemessen verstanden werden können.
Im untersuchten Material wirkten Naturalisierung, Ethnisierung und Ge-
nealogisierung als Modalitäten der Kulturalisierung. Nun soll auf einen
spezifischen Diskursmechanismus hingewiesen werden, der die verschie-
denen Formen der Kulturalisierungmiteinander verbindet und ihnen eine
geteilteGrundlageverleiht.Dabeihandelt es sichumeineArtikulationsform
der rassistischenVeranderung,diedieFigurdes/dermuslimischenAnderen
nicht bloĂźals natĂĽrlich verschiedenoder kulturell fremdmarkiert, sondern
ihr einen bestimmten zeitlichen Ort zuweist: Der/die muslimische Ande-
re wird als Widerschein der Vergangenheit konstruiert. Ich nenne diesen
DiskursmechanismusdieTemporalisierungdes/dermuslimischenAnderen.
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Ă–sterreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Ă–sterreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik