Page - 287 - in Im Namen der Emanzipation - Antimuslimischer Rassismus in Österreich
Image of the Page - 287 -
Text of the Page - 287 -
7 VonderRassismusanalysezurKonjunkturanalyse 287
nissen bislangwenig geschrieben. In jüngerer Vergangenheit gab die »Sar-
razindebatte« inDeutschland dafür Anlass. Soweist Juliane Karakayalı auf
eine»EthnisierungsozialerKonflikte«hindie sich»ineinerUmdeutungder
sozialenMarginalisierungvonMigrantInnenausmuslimischgeprägtenLän-
dern[…] zueinemkulturellenProblem«ausdrücke(Karakayalı2012: 102-103).
Diesfindedortstatt,wo›derIslam‹oder ›diemuslimischeKultur‹zumwich-
tigstenerklärendenFaktorfürdiesozialeLagejenerMenschenernanntwird,
die alsmuslimischmarkiertwerden.Nicht dieUndurchlässigkeit der Klas-
sengesellschaft, Diskriminierung oder rassistische Abwertung, sondern die
DefizitedesmuslimischenSubjektsgeltendannalsursächlich für fehlenden
ökonomischen Erfolg. Für Deutschlandwurde diese Kombination aus kul-
turalistischemRassismusundneoliberalerLeistungsideologieeingehendan-
handder»Sarrazindebatte«von2010untersucht (Friedrich2011a).ThiloSar-
razinsInterventionsei,soElkeKohlmann,voneinerdoppeltenstrategischen
Operationgekennzeichnetgewesen:Die»VerlagerungderVerantwortungfür
die Stellung in derGesellschaft auf das Individuum« sowie »die Festschrei-
bungdersozialenHierarchiealsnatürlicheHierarchie«(Kohlmann2011: 168).
DieserscheinbareWiderspruchwirdbeiSarrazindurchdenVerweisauf›Kul-
tur‹ vermittelt. ImklassenrassistischenErklärungszusammenhangwirdge-
ringeLeistungauf individuell fehlendeLeistungsbereitschaftunddiesewie-
derumauf eine angeblich kollektiv verankerte (und vererbte) kulturelle Prä-
dispositionzurückgeführt.SarrazinsRassismuswirddabei insbesondereda-
durchdeutlich,dasserKulturganzunumwundenbiologistischalszweiteNa-
turkonstruiert.ErverknüpftvorgeblicheBegabungen,Intelligenzodergene-
tischeVoraussetzungenmit kulturellenZuschreibungenund liefert sowohl
unbeabsichtigt einenBeleg für EtienneBalibars schon zwanzig Jahre zuvor
vertreteneThese,wonach»dieKulturdurchausals eine solcheNatur fungie-
ren [kann], ganz besonders als eine Art undWeise, Individuen undGrup-
penapriori ineineUrsprungsgeschichte,eineGenealogieeinzuschließen, in
einunveränderlichesundunberührbaresBestimmtseindurchdenUrsprung«
(Balibar 1992b: 30; vgl.Kapitel 6.1).
Der Islam gehört, wie von einem Interviewpartner formuliert, zu den
»selbstfabrizierten Behinderungen«, die zwischenMuslimInnen und ihrem
prinzipiellmöglichensozialenAufstiegstehen.Umgekehrtbedeutetdas:Erst
dieAufgabedermuslimischenIdentitäteröffnetdieMöglichkeitdessozialen
Aufstiegs.AndieserunausgesprochenenPrämissewirdauchgegendurchaus
vorhandene empirische Evidenz festgehalten. Ähnlich wie in der Sarrazin-
Debattewird »[d]ie soziale Lage vonTeilen vonMigrant_innen […] auf indi-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Title
- Im Namen der Emanzipation
- Subtitle
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Author
- Benjamin Opratko
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 366
- Keywords
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Categories
- Weiteres Belletristik