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bert Weichardt, der Schmiere stand, und der fünfundzwanzigjährige
Buchhändler und Verleger deutschvölkischer Schriften Albert Wilhelm
Grenz, der Verbindungsmann zur »Organisation Consul«, lediglich
wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und
neun Monaten resp. wegen Anstiftung zu gefährlicher Körperverletzung
zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt, obwohl die
Mordabsicht nicht nur klar zutage lag, sondern im Prozeß auch nach-
gewiesen wurde.
Als die zwei Harden-Attentäter »zu zwei beziehungsweise vier Jahren
Gefängnis freigesprochen« werden,7 bringt Kuh unter Zwischentiteln
wie »Patriot und ›Verräter‹«, »Deutschland«, »Der Judenhaß« oder »Die
Justiz« im »Neuen Wiener Journal« wieder Börne als Kronzeugen in
Stellung: »[D]er siegreiche Nationalismus von 1822, dem es so gut ge-
gangen war, betrug sich kaum anders als der Rachenationalismus von
heute. Damals wie jetzt galt als der Patriotenweisheit letzter Schluß die
Interjektion ›Jud!‹. Der Unterschied lag nur an den Vollzugsorganen:
sie amtierten damals nicht zivil und gegen, sondern uniformiert und für
die Ordnung.« Mit Passagen, die so frappierend aktuell wirken, als
seien sie auf das Deutschland von 1922 gemünzt, und die ein engagierter
Anwalt zu einem Plädoyer hätte fügen können. Darunter: »Bei aller
Rechtspflege kommt es nicht bloß darauf an, daß Recht gesprochen
werde, sondern auch, daß jeder Bürger im Staate die Zuversicht habe,
daß Recht gesprochen werde. Was hilft alle Sicherheit, wenn man nicht
das Gefühl dieser Sicherheit hat. Aber dieses Gefühl der Sicherheit, diese
Zuversicht auf strenge Rechtlichkeit kann ein deutscher Bürger nicht
haben … Sie können täglich in der Zeitung lesen, was in Bayern ge-
schieht … (Wortwörtlich!)«8
Alfred Döblin, der Kuh »unter den Männern, die die geistige Revolu-
tion dieser Zeit9 vorwärts tragen«, »zu den tapfersten« zählt, nennt die
Börne-Auswahl »eine sehr zeitgemäße Angelegenheit«, die »Millionen
Deutscher und Gebildeter […] hinter die Ohren geschrieben« gehöre:10
»Frappierend die Ähnlichkeit der jetzigen, besonders der Vorkriegs-
epoche mit der von Börne berannten. Wir finden Professorenpatrio-
tismus, Antisemitismus, bairische ›Sonderinteressen‹.« »Den heutigen
Kämpfern« könne Börne zeigen, »wie man eine Klinge schlägt«. Und
Döblin weist »noch auf die tief gesehene Charakteristik des neu ent-
deckten Zeitgenossen durch seinen Entdecker«.
Emphatische Zustimmung auch von Hermann Wendel: »Kaum jemals
ward unser deutsches politisches Elend offenbarer, als da Anton Kuh
eine Auswahl aus Börnes Schriften herausgibt, als Titel darüber setzt:
›Börne der Zeitgenosse‹ […] und wir erschüttert bekennen müssen: Ja,
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien