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europäische Kulturzentrum ist, aus diesem »Wohlklang aus Stein und
Landschaft«, »durchkribbelt von frohem Österreichertum und gewähl-
ter Internationalität«, aufsteigt.133
Ungleich weniger feierlich kurz darauf sein Abgesang auf die bĂĽrger-
liche Presse Berlins mit ihren mit »Karikaturen, Ulktitel[n], Photo-
montagen« gesprenkelten Letternfeldern. »Die Spalten tragen neckische
SpaĂźhĂĽtchen, ĂĽber den Text ist Konfetti der Kurzweile ausgeschĂĽttet,
aus den Rubriken fliegen Papierschlangen und wickeln den Leser ĂĽber-
mütig ein. Wohin er guckt: Jux, Animo, Zeitvertreib.« Kuhs Diagnose:
»die Panik als Jux«, die »angeschminkte Unbefangenheit, mit der der
liberale Journalismus, vom Links- und Rechtstumult bedrängt, seine
Leser an die Hand nimmt, in ein Kinderzimmer sperrt und sagt: So,
kommt her – alles ist ja nicht wichtig – wir spielen jetzt ›Wer ist’s?‹
oder ›Vierfach versteckt‹ oder ›Guten Abend, Herr Meyer‹. / Es ist die
händepatschende Heiterkeit, mit der ein Vater während des Gewitters
spricht: ›Schaut nicht links, nicht rechts, wo’s blitzt – lösen wir lieber
zusammen ein Bilderrätselchen.‹ Mit einemmal ist allen so kicherig und
verspielt zumute. Alle dürstet’s nach Allotria.« Was bedeutet dieser
»Todessprung aus der Gesinnung in die Geselligkeit« auf den Punkt
gebracht?Â
– »›Keep smiling‹ am Halsstrick« resp. die Umsetzung jenes
»Leitspruchs, in dem sich das zwiespältige Verhältnis des Leitartikels
zum Exzedententum der Zeit ausdrückt: ›Nun, es wird nicht so heiß
gegessen, wie ich die Hosen voll hab’.‹«134
In »Was ist pensch?« nur gestreift, polemisiert Kuh auch sarkastisch
gegen das nach dem 14. September 1930Â
– aus den Reichstagswahlen vom
14.9.1930 geht die NSDAP als zweitstärkste Partei hervor (18,3Â
Prozent
der abgegebenen gültigen Stimmen; SPD: 24,5 Prozent) – kleinlaut ge-
wordene Kabarett. Im Kabarett der Komiker nimmt man ihm die Be-
merkung ĂĽbel: »Ein Kabarettdirektor inseriert: ›Weg von der PolitikÂ
–
zwei Stunden lachen!‹ (Dies übrigens nur im Sinn des politischen
Geistes, den die Conférenciers verzapfen.)« Kurt Robitschek, der sich
kurz davor noch gegen die Unterstellung verwahrt hat, er hätte geäußert,
daß die »›ermüdende‹ Politik heute nicht mehr ins Kabarett gehöre« –
er habe lediglich erklärt, »daß ein ausschließlich politisches Kabarett
ermüdend« sei135 –, verkündet im Dezember 1930 nach einer trotz
äußerst moderater Kartenpreise enttäuschend besuchten einschlägigen
Matinee – »ein finanzieller Versager allererster Ordnung« – das Ende
des politischen Kabaretts: »Das Publikum ist aller Politik müde. In dieser
Zeit, die im Alltagsleben mit Politik bis zum Rand gefĂĽllt ist, will die
Masse [der] Theaterbesucher in den zwei, drei Entspannungsstunden
nichts mehr von politischen Liedern wissen. Es sind gar zu garstige
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter SchĂĽbler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien