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Lebens« mit einiger Regelmäßigkeit behelligt wurden, aus seinem »hor-
ror Germaniae« keinen Hehl machend, antwortete: »Gott erhalte uns
unser Österreich, es wird sich aus seinen Nöten schon herauswickeln.
Bloße Tüchtigkeit kommt vor dem Fall, und zwar immer wieder. Wer
will dem Schicksalsrenner ›Deutschland‹ an den Schweif gebunden
sein?
/ So ungemütlich die Verhältnisse bei uns durch den Einfluß jener
Gruppen, denen das Exerzieren, Defilieren und Parieren Lebenszweck
ist, sich auch gestaltet haben, so bleibt Österreich doch ein politisches
Paradies unter den Staaten der wilden Völker des europäischen Konti-
nents. Meinetwegen Deutschland über alles
– nur nicht über uns. Leider
wird es nicht zu verhindern sein, daß uns Deutschland eines Tages an-
nektiert – aber drängen wir uns nicht dazu.«72
Um es zu verhindern, setzt das österreichische Ständestaat-Regime
verbissen auf stramme Gefolgschaft, die »altösterreichische Formel des
Patriotismus« steht nicht allein für unsicheren Kantonismus, sondern
ideologisch auf der anderen Seite. »Der unsterbliche Österreicher«, die-
ser Abgesang auf »de[n] vielsprachigen, de[n] entnationalisierten Men-
schen«73, wird vom »Preß-Bureau« der Wiener Bundespolizeidirektion
im Feber 1936 verboten, weil seine »Verbreitung eine Propaganda für die
kommunistische beziehungsweise sozialdemokratische Arbeiterpartei
darstellt«.74 Der »Anzeiger für den Buch-, Kunst- u. Musikalienhandel«
führt das Buch Ende Feber 1936 mit der Spezifizierung »Demonstra-
tionsverordnung, B.-G.-Bl. Nr. 185/1933« in der Rubrik »Warnung
vor Verkauf etc. von Druckschriften, die eine Förderung verbotener
Parteien beinhalten«.75
Daß Kurt Schuschnigg, damals »Schutzhäftling« im KZ Sachsen-
hausen, unter dem 27. August 1944 in sein Tagebuch notiert: »Anton
Kuh: ›Der unsterbliche Österreicher‹ gelesen. Ergänzung und neue
Auflage wären vonnöten«76 – späte Einsicht, »tätige Reue«?
1930
Ungewöhnlich trocken und kategorisch dezidiert im Vergleich zum
Gestus, der seinen »Querschnitt«-Buchbesprechungen eignet, ist Kuhs
ätzende Besprechung von Ernst von Salomons autobiographischem
Roman »Die Geächteten«77. Salomon, stets auf seiten der radikalen
Rechten, gegen Liberalismus und Republikanismus, Freikorpskämpfer
im Baltikum und in Oberschlesien, 1922 wegen seiner Beteiligung an der
Ermordung Walther Rathenaus als Repräsentanten der »europahörigen,
kompromißlerischen Republik« zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt,
schildert darin nonchalant die Gemetzel der Freikorps-Marodeure an
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien