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im Innersten aufgewühlt. Wenn Österreich ins Grab sank, wollte ich da
sein.«30 Unter seinen Mitreisenden einige führende Funktionäre der
österreichischen Sozialdemokratie, die sich nach den Massakern des
Feber 1934 in die Tschechoslowakei in Sicherheit brachten und die nun
ihre Bündel geschnürt haben, um ihre Anhängerschaft für ein positives
Votum bei der Volksabstimmung zu mobilisieren. Die Zuversicht der
Sozialdemokraten – keiner der führenden Repräsentanten des Stände-
staats war allerdings auf das Angebot einer Abordnung von Kommuni-
sten und Revolutionären Sozialisten eingegangen, den Bundeskanzler
im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu unterstützen, das diese
Schuschnigg am 3. März unterbreitet hat
– lassen in Kuh eine Idee reifen,
an deren Umsetzung er am Vormittag des 11. März geht. Siegfried
Trebitsch, mit dem er tags davor darüber gesprochen hat, hat ihn dazu
ermutigt und ihm geraten, über die Vermittlung Alma Mahler-Werfels
seine Idee an Schuschnigg heranzutragen. Alma Mahler vermittelt ein
Treffen mit Unterrichtsminister Hans Pernter, einem Vertrauten
Schusch niggs, das im Atelier ihrer Tochter Anna – Initiatorin einer
»Versöhnungsaktion«, die Regierung und Linke zusammenbringen
sollte, um Österreich in letzter Minute noch zu retten31
– in der Opern-
gasse stattfindet.32 Kuh eröffnet Minister Pernter, daß mit den halb-
herzigen Maßnahmen der Regierung bei der Abstimmung kein durch-
schlagender Erfolg zu erreichen sei. Es brauche eine große Geste: »Karl
Seitz, der frühere Bürgermeister von Wien, im Feber inhaftiert, popu-
lärster und unbestechlichster Mann der Sozialdemokratischen Partei,
muß im Radio zu den Arbeitern sprechen. Und er wird dies auch tun,
läßt man ihn nur sagen, was er will.«33 Pernter zieht den Vorschlag in
Erwägung, erst recht, als Kuh ihm eröffnet, daß viele der Polizisten in
den Autos, die die demonstrierenden Nazis in den Straßen Wiens be-
gleiten, die Hand zum Hitlergruß erhoben haben.
Mitten in die Erwägungen, kurz nach 13 Uhr, platzt ein Sekretär
Pernters, der diesem etwas ins Ohr flüstert. Pernter wird kreidebleich
und stürzt grußlos davon.
– Man hat ihn offenbar vom ersten Ultimatum
aus Berchtesgaden unterrichtet.
Kuh eilt in sein Hotel, um den Zwei-Uhr-Zug nach Prag noch zu
erwischen. Dort läßt sich ein junger Mann auf seinem Zimmer melden.
Er stellt sich als »Kaufmann W. (ein jüdischer Name)« aus Prag vor. Er
habe vom Hausmeister erfahren, daß Kuh diesen Nachmittag nach Prag
wolle, und lädt diesen ein, ihn in seinem Wagen zu begleiten. Kuh fühlt
Herrn W. auf den Zahn und kommt zu dem Schluß, daß der ein Sudeten-
deutscher ist, kein Jude und nicht aus Prag. Ihm ist, als sähe er den
Wagen mit dem deutschen Kennzeichen in der einsamen Salzburger
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book Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien