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Hier erdichtet sich die gängige Schmähung Adolf Hitlers als »An-
strei cher«* ein biographisches Substrat resp. verdichtet sie sich zum
biographischen Substrat – der »Führer« habe in jungen Jahren eine
Maler- und Anstreicherlehre absolviert, und das im Sudetenland
–, das
indessen Fiktion ist, wenn es auch immer wieder kolportiert wird. So
zum Beispiel als dokumentarisches Einsprengsel in Karl Kraus’ »Drit-
ter Walpurgisnacht« (geschrieben 1933) der Befund des »Tapezierer-
meister[s] F. Židek in Olmütz«: »Da ich während der Probezeit fest-
stellte, daß [Hitlers] Fachkenntnisse sehr stark hinter seiner rednerischen
Begabung und Eloquenz nachhinkten, verlangte ich von ihm nicht
mehr ein Personaldokument, sondern entließ ihn.«8
Und irgendwann in diesem Spätsommer fährt Kuh Friedrich Sieburg,
ehemals Pariser Korrespondent der »Frankfurter Zeitung« und Autor
des Erfolgsbuches »Gott in Frankreich?«, nunmehr Auslandsagent
Goeb bels’, der bei einem internationalen Journalistenfrühstück »den
deutschen Gewaltstandpunkt gegen Österreich verteidigt«, in die Parade.
Er entgegnet »mit gewohnter geistiger Schärfe, aber, wie er selbst be-
dauernd feststellte, in einem mühselig schwerfälligen Französisch, wobei
er, zu Sieburg gewandt, die glänzende Formulierung fand: ›Ist es nicht
ein Paradox, daß der Anwalt des Barbarentums hier das große Kultur-
instrument der französischen Sprache vollkommen beherrscht und die
edle Sprache mißbraucht, um in ihr die Gemeinheiten des Staates zu
vertreten, dessen Dienstbote er in Paris ist?‹ / Sieburg wurde rot und
versuchte, ironisch zu lächeln. Es sprach ja nur ein Literat mit Charak-
ter gegen den Agenten ohne Skrupel. Es stand der besoldete Nazi, dem
Devisen ins Ausland geschickt wurden, damit er einen Pariser Salon
unterhalten konnte, dem armen Emigranten gegenüber, der für seine
Gesinnung auch Opfer gebracht hatte.«9
* Im spöttischen Beinamen »Anstreicher« konvergieren zwei gängige Schmäh-
Topoi: zum einen der des gescheiterten Kunstmalers, der sich zweimal –
im Herbst 1907 und 1908
– vergeblich um die Aufnahme in die Allgemeine
Malerklasse der Akademie der bildenden Künste in Wien bewirbt und in
den Jahren 1909 bis 1913 einen gut Teil seines Lebensunterhalts aus dem
Verfertigen von Aquarellen nach Wiener Postkartenmotiven bestreitet
(»Kleckser«); zum anderen jener der (leeren) Versprechungen von Politikern
der Weimarer Republik aller Couleurs, das »Haus« von Grund auf zu er-
neuern, die sich darin erschöpfen, es bloß neu anzustreichen (vgl dazu: Bert
Brecht: Das Lied vom Anstreicher Hitler, 1933). – Vgl. dazu: Günter
Scholdt: »Anstreicher Hitler«. Zur Problematik politischer Polemik in der
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. In: Internationales Ar-
chiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 10 (1985), S. 135-153.
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien