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Auch als er am 20. März 1940 abends im Saal des Kaufmann Audito-
riums, Lexington Ave., Ecke 92. Str., »vor einem aus den prominentesten
Köpfen Mitteleuropas bestehenden Publikum«30 über »Die
Kunst, Hitler zu überleben« spricht31 – immer wieder von
Beifall unterbrochen und bedankt mit einem »Applaus, der an
eine Ovation grenzte«32
–, schließt er: »Wir sind in vorherigen
Stadien der Weltgeschichte genug ›taktvoll‹ und ›unsichtbar‹
geblieben. Es ist an der Zeit, dass wir endlich taktlos und sichtbar
werden – unsere Aufgabe darf nicht sein, uns zu verbergen,
sondern danach zu trachten, dass Hitler uns nicht überlebt.« Und so
wie er im Oktober 1918 vehement dafür plädiert hatte, »am Tourniquet
der neuen Zeit« Kontrollorgane aufzustellen, »um jeden Staatsuntertan,
Plakatträger und Apologeten der alten Zeit zurückzuweisen, der be-
hutsam hinüberschlüpfen will«33, möchte er dann »der Emigranten-
Officer am Strande drüben sein, der den nach Hause Eilenden einmal
sagen wird: ›Sie wollen zurück zu Josef Wirth, zu Schuschnigg, zu
Hodža? Nichts damit! Drüben bleiben!!‹«34
Als »Einführung in die Lektüre der ›New York Times‹ für ausgediente
Leser des ›Berliner Tageblatts‹, der ›Neuen Freien Presse‹ und anderer
Organe« angekündigt,35 dreht sich der Vortrag, den Kuh drei Wochen
darauf im German-Jewish Club hält, unter anderem um »den Unwert des
Zahlenerfolges Hitlers und die Sinnlosigkeit des Massentriumphs. Die
Analyse des Geheimnisses von Hitlers ›Durchbruch‹ war klar und schla-
gend. Kuh ist aber trotz seines Wissens kein Bagatellisierer, im
Gegenteil: er weiss genau um die Furchtbarkeit des Gegners,
seien es kleine Korporale oder ausgediente Gefreite. Und so
hatte sein Hinweis auf die Einsatzprophetie von André Suarez
›Wenn es so weiter geht, wird eines Tages der Papst den Mann
aus Braunau als Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation salben‹ mehr als den Wert eines kühnen Zitats.
/ Es war
ein Abend, der in der Reihe der immer interessanten Donners-
tage des ›German Jewish Club‹ zweifellos ein Höhepunkt war.«36
Vehement polemisiert Kuh gegen die im Magazin »Life« veröffent-
lichten »Rules for Refugees«37, die den Emigranten nahelegen, sich tun-
lichst möglichst unauffällig zu verhalten. Er verbittet sich derlei gute
Ratschläge von seiten jener, die für »Befriedung und Verständigung«
plädieren, und sieht sich wie alle »literarischen Flüchtlinge« dezidiert
in der Rolle des »›undesired expert‹ – des Sachverständigen, der einen
im Nichts-wissen-Wollen stört«.38
Ein vehementes Plädoyer für Nichtassimilation auch seine zwei Bei-
träge zu »Jewish Frontier«, »These Are the Refugees«39, und »The
New York City,
Kaufmann
Auditorium,
20.3.1940,
20.45 Uhr:
Die Kunst,
Hitler zu
überleben
New York City,
Clubhaus des
German-Jewish
Club, 11.4.1940,
21 Uhr:
Wie man die
richtige
Kriegsprognose
stellt
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien