Page - 53 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Image of the Page - 53 -
Text of the Page - 53 -
ren Hierarchie wenig Ansehen und nur bedingt
Mitspracherechte. Juristen und Mediziner rück-
ten in Wien sogar mehr und mehr von der For-
derung eines vorausgehenden unter jesuitischer
Aufsicht absolvierten Magisteriums artium ab.33
Andererseits darf nicht übersehen werden, dass
sowohl Jesuiten wie auch das Universitätskon-
sistorium gleichermaßen vom Kaiser protegiert
wurden. Dass eine solche Situation Konkurrenz
und Profilierungsnöte, vielleicht aber auch In-
novationsschübe entfachen würde, war zu er-
warten.
Einen immer wieder keimenden Konflikt bo-
ten die Nobilitierungsverfahren: Seitdem Bil-
dungs- und damit Elitenförderung für den Herr-
scher an Attraktivität gewonnen hatte, war es
durchaus üblich, Adelsprädikate auch an heraus-
ragende Gelehrte zu verleihen.34 Doktoren der
Medizin wie der Jurisprudenz wurden sogar mit
der Polizeiordnung von 1671 der städtischen No-
bilität gleichgestellt.35 Vor dem Hintergrund ei-
ner Pädagogik, die ohnehin auf Wettbewerb und
Belohnungssystem ausgelegt war36, bemühte sich
auch der Jesuitenorden Adelsprivilegien zu verlei-
hen und konnte – sicherlich nicht ohne Rücken-
deckung des Kaisers – Erstaunliches durchsetzen.37
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Rekto-
renporträts, die die hohe Abkunft ihrer Amts-
träger so bedeutsam ins Bild setzen, in diesem
Klima entstanden sind. Schon der „Prototyp“
des ersten Bildnisses, das Porträt des kaiserli- chen Leibarztes und wichtigen Beraters Rech-
perger, gilt einem gebürtigen Adeligen. Vor ih-
rer Universitätslaufbahn sind noch sechs weitere
der dargestellten Rektoren dem Adelsstand zu-
zurechnen. Manche der Bildnisse sind sicher-
lich als Zeugnisse weiterer Standeserhebungen
zu lesen: Neun der sechzehn Porträts erwähnen
in der Inschrift den nobilitierenden Doktorti-
tel und fünf davon präsentieren zusätzlich ein
Adelswappen, darunter ein Domherr, zwei Or-
densführer und die beiden in den Ritterstand
aufgestiegenen Rektoren Blümer (Abb. 5a) und
Schlittern (Abb. 5b). Insgesamt lassen sich neun
Standeserhebungen oder Wappenbesserungen
nachweisen.38 Nicht verwunderlich scheint vor
diesem Hintergrund, dass die Bildlegende un-
ter dem Porträt des Rektors Paul von Schlittern
auch den ehrenvollen Empfang des neu gekrön-
ten Kaisers 1712 mitteilt.39
Die meisten der Porträts der höher nobili-
tierten Rektoren fallen in die beginnende Re-
gierungszeit Karls VI. Mag sein, dass das Rek-
torat zunehmend den Charakter einer sozialen
Aufstiegschance und Karriereleiter in Ämter des
Hofes gewonnen hat. Was die Bilder allerdings
nicht zeigen, sind Rektoren in ihrer Tätigkeit
als Forscher, Lehrer, Wissenschaftler. Das fällt
umso mehr auf, als sich der mehrmalige Rek-
tor und Abt Gottfried Bessel in seinem Rekto-
renporträt außerhalb der Universität mit Glo-
bus und Büchern darstellen ließ (Abb. 4b).40 Im
Bilder der Magnifizenz 53
33 Mühlberger, Promotion und Adelsverleihung (zit. Anm. 6), S. 583.
34 M. Füssel, Ritus promotionis (zit. Anm. 10), S. 415. Die Verleihung akademischer Grade zählte zu den kaiserlichen
Reservatrechten. Vgl. auch 300 Jahre Karl VI. 1711–1740. Spuren des letzten Habsburgers, Begleitbuch zur gleich-
namigen Ausstellung im Österreichischen Staatsarchiv (hrsg. von S. Seitschek/H. Hutterer/G. Theiner), Wien
2011, S. 72.
35 UAW/CA 1.0.159 Recht der Universität auf Adelsverleihungen. Erwähnt wird darin, dass die Doktoren der Medizin
und der Jurisprudenz in der Polizeiordnung Leopolds I. der städtischen Nobilität gleichgestellt werden.
36 Mühlberger, Promotion und Adelsverleihung (zit. Anm. 6), S. 607.
37 Ebenda, Anhang II, S. 616–622.
38 Vgl. K. F. von Frank, Standeserhebungen und Gnadenakte für das deutsche Reich und die Österreichischen Erb-
lande, Bd. 1–5, Schloss Senftenegg 1967–1974.
39 „… anno 1712 rect. magnif. neo-coronatum … imp. Carolum VI. viennae reducem excepit.“ Vgl. Anm. 15.
40 Stift Göttweig, Inv.-Nr. 53: Das Gemälde (Öl/Lwd., 240 x 162 cm) ist datiert und signiert: Roman Helmshoysen
1716, und hängt heute über der Kaiserstiege, vgl. Abb. 4b.
back to the
book Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken