Page - 85 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Image of the Page - 85 -
Text of the Page - 85 -
ders auffallend ist dabei, dass der Bildhauer nicht
nur den Kopf mit dem etwas nach oben gerich-
teten Blick, den Scheitel, das gekämmte Haar
sowie Landsteiners Gesichtsausdruck übernom-
men hat, sondern auch die Kleidung, Hemdkra-
gen und Mantelrevers. Bei genauer Begutach-
tung stimmen die Konturen am Medaillon mit
jenen des weißen Arztkittels, dem Hemd dar-
unter und dem Krawattenknoten, welche Land-
steiner in der Fotografie trägt, überein. Folglich
versucht Hartig im Porträt des Medaillons eine
realitätsgetreue Wiedergabe des Nobelpreisträ-
gers und unterstreicht diese mit einem idealisie- renden Zug, der durch die betonte Strenge im
Profil und den in die Ferne gerichteten Blick un-
terstützt wird. Durch die Parallelen zu der Foto-
grafie und aus der Presse bekannten Fotografien
erhöht sich beim Betrachter der Wiedererken-
nungswert des Porträtmedaillons. Ein weiteres
Porträt Karl Landsteiners in Form einer S/W-
Fotografie von 1925 befindet sich seit 2006 in der
von der Agentur Photoglas in Zusammenarbeit
mit dem Institut für Zeitgeschichte realisierten
Installation der Nobelpreisträger in der Aula des
Hauptgebäudes der Universität Wien.57
resümee
Anhand von ausgewählten Denkmälern aus dem
Arkadenhof und ihrer Entstehungsgeschich-
te untersucht die Studie die Rolle des Porträt-
medaillons als Form des Gelehrtendenkmals.
Mittels kunsthistorischen Vergleichs der Medail-
lons der beiden Bildhauer Kaspar von Zumbusch
und Arnold Hartig zu Medaillen aus dem Ar-
chiv der Universität Wien, zu Porträtfoto
grafien
der Dargestellten oder zu Grabdenkmälern am
Wiener Zentralfriedhof werden verschiede-
ne Entwicklungen in der jeweiligen Repräsen-
tation aufgezeigt. Die beiden Medaillons von
Zumbusch entsprechen der idealisierenden,
antikisierenden Formensprache des Künstlers
und verzichten dennoch nicht auf charakteris-
tische Merkmale der geehrten Persönlichkeit.
Beide Medaillons sind Werke des Historismus
und zeigen den Geehrten in heroischer Nackt-
heit und in einer auf den Kopf reduzierten klas-
sischen Gestaltung. In der Entstehungsgeschich-
te dieser Denkmäler spielte die Anerkennung des Ringstraßenbildhauers und Schöpfers von be-
reits sieben Werken im Arkadenhof eine wesent-
liche Rolle. Im Unterschied dazu wurde der Me-
dailleur Arnold Hartig als naturnaher Porträtist
seitens der Universität zur Anfertigung von fünf
Denkmälern mit Porträtreliefs beauftragt. In sei-
nen Medaillons übernimmt er die traditionelle
Form, sie zeichnen sich aber durch eine realis-
tischere und zeitgemäße Wiedergabe des Dar-
gestellten aus. Unterschiede in der Gestaltung
zwischen Zumbusch und Hartig finden sich so-
wohl in der Wahl des Büstenabschnitts als auch
in der Wiedergabe der Kleidung. So präsentie-
ren sich die Porträts von Ernst Ludwig und Le-
opold Schrötter von Kristelli noch traditionell
in heroischer Nacktheit auf den Kopf konzent-
riert. Während in Hartigs Medaillon für Gustav
Riehl noch eine Orientierung an dieser klassi-
schen Gestaltung beobachtet werden kann, zeigt
das Medaillon für Karl Landsteiner den Medizi-
ner mit Arztkittel als forschenden Wissenschaft-
Das PorträtmeDaillon als Form Des GelehrtenDenkmals 85
das darin gezeigte Interieur und das Alter des Dargestellten zu den Fotografien von 1930. Dafür spricht auch, dass
eine weitere sehr ähnliche Fotografie am 20. November 1930 in der Wochenzeitung „Das interessante Blatt“, Ausga-
be Nr. 47, S. 2, veröffentlicht wurde. Hier mit dem Untertitel „Der Oesterreicher Dr. Karl Langsteiner [sic], Träger
des Nobelpreises für Medizin für 1930, bei seinen Arbeiten im Laboratorium des Rockefeller-Instituts in New York.“
Darin wird Landsteiner mit Blick ins und der Hand am Mikroskop gezeigt. Der Bezug zur Fotoserie der Sammlung
Bettmann ist klar zu erkennen.
57 Siehe hierzu http://geschichte.univie.ac.at/de/artikel/nobelpreis-und-universitaet, abgerufen am 18. Juni 2015.
back to the
book Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken