Page - 344 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Raum ist zugleich auch das Zeichen seiner ge-
sellschaftlichen Rehabilitation, und daran zeigt
sich auch eine der besonderen Funktionen der
Gelehrtendenkmäler. Seiner Zeit voraus hat-
te Semmelweis – bekanntlich – entdeckt, dass
die Ärzte selbst, durch mangelnde Hygiene, das
für die Gebärenden oft tödliche Kindbettfie-
ber verursachten. Seine Theorie und damit die
Möglichkeit zur Vorbeugung wurde aber vom
Großteil der Ärzteschaft seinerzeit rundweg ab-
gelehnt. Erst nach seinem Tod mit der Entde-
ckung des krankheitserregenden Bakteriums
wurde die Bedeutung seiner Entdeckung klar, seine Ansichten wurden rehabilitiert und seine
Person in den wissenschaftlichen Kanon aufge-
nommen.20 Dem „Retter der Mütter“ wurden in
mehreren Ländern durch Filme, Briefmarken21
und Statuen Denkmäler gesetzt. In Ungarn ge-
nießt die Gestalt von Semmelweis außerordentli-
che Popularität, sein Geburtshaus beherbergt das
Medizinhistorische Museum, die Medizinische
Universität Budapest trägt seinen Namen und
zahlreiche Skulpturen von ihm wurden im gan-
zen Land aufgestellt. Da er Student und dann
Lehrer der Universität Wien gewesen war, be-
kam er auch im Arkadenhof der Wiener Uni-
versität ein spätes Denkmal,22 ferner wurde die
Wiener Frauenklinik, in deren Garten auch ei-
ne Semmelweis-Statue steht, nach ihm benannt.
In der Zwischenkriegszeit erbaute man in
Ungarn die seinerzeit größte und repräsenta-
tivste Ehrenhalle Mitteleuropas in der am Ufer
der Theiß liegenden südungarischen Stadt Sze-
ged. Der Komplex, der auch durch seine Ab-
messungen imposant wirkt, wurde Ende der
1920er-Jahre, innerhalb weniger Jahre, errichtet
– die Einweihung erfolgte 1930. Der Platz vor
der neoromanischen Votivkirche wird auf drei
Seiten von einer jeweils hundert Meter langen
Arkadenreihe umrahmt (Abb. 10). Man plante
schon beim Entwurf, in den Arkaden die Denk-
mäler von hundert bedeutenden Persönlichkei-
ten der ungarischen Geschichte und Kultur auf-
zustellen. Das Ziel bestand in Szeged nicht nur
darin, eine nationale Ruhmeshalle an sich zu er-
richten, sondern auch ein politisches, städte-
planerisches, wissenschaftliches und kulturel-
les Programm zu verwirklichen. Weil Ungarn
durch den Friedensvertrag von Trianon (1920)
bedeutende Gebiete mit großen Universitäts-
städten und Bischofssitzen verloren hatte, muss-
géza galavics – bálint
ugry344
20 Über Ignaz Semmelweis: I. Benedek, Ignaz Philipp Semmelweis (1818–1865), Wien 1985 – S. B. Nuland, Ignaz
Semmelweis. Arzt und großer Entdecker, München 2006.
21 Zur Popularisierung und Popularität von Ignaz Semmelweis siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Sem-
melweis, abgerufen am 23. Jänner 2017. – Zu den Wissenschaftler-Briefmarken siehe: http://www.sma.org.sg/
smj/4701/4701ms1.pdf, abgerufen am 23. Jänner 2017.
22 Durchsuchbar: https://monuments.univie.ac.at/index.php?title=Hauptseite, abgerufen am 23. Jänner 2017.
Abb. 9: Alajos Stróbl, Ignaz Semmelweis, 1905, Budapest,
Gyulai Pál utca.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken