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jede Kommunikation mit deutschen, öster-
reichischen oder Wiener Künstlern oder deren
Stilen (außer in der Architektur) war für einen
protschechischen Künstler a priori disqualifizie-
rend. Stanislav Sucharda selbst wurde im Som-
mer 1907 in der tschechischen Presse Opfer sol-
cher übler Kampagnen, deren Ursache es war,
dass er – respektive der Mánes-Verein – nicht so-
fort und entschieden eine Initiative des in Wien
gegründeten Künstlerverbandes österreichischer
Bildhauer ablehnte. Dies betrachtete der Tsche-
chische Nationalrat als „Verrat an den nationa-
len Interessen“. Sucharda war aber mit mehreren
Wiener Künstlern befreundet, der Mánes-Verein
kooperierte intensiv vor allem mit dem Wiener
Hagenbund. Im Kontext der national verschärf-
ten Beziehungen ist Suchardas Freundschaft mit
dem erfolgreichsten deutsch-tschechischen Bild-
hauer Franz Metzner höchst signifikant. Suchar-
da beobachtete sehr sorgfältig Metzners Werk,
das er auch hoch schätzte. „Schade, dass man es
hier nicht laut sagen kann …“ – liest man in
Suchardas Tagebuch.17
Im Gegensatz zu Karl IV., dem heiligen Wen-
zelslaus und Jan Hus handelt es sich im Fall von
František Palacký (1798–1876) um einen relativ
„jungen“ Einwohner der tschechischen Ruhmes-
halle. Palacký war zweifelsohne der bedeutends-
te tschechische Politiker des 19. Jahrhunderts, ein
führender Historiker und wichtiger Initiator der
Gründung der zentralen nationalen Kulturins-
titutionen, u.a. des Nationalmuseums und des
Nationaltheaters. Im Revolutionsjahr 1848 lehn-
te Palacký als der wichtigste tschechische Poli-
tiker die Teilnahme an der Frankfurter Natio-
nalversammlung (und den Anschluss slawischer
Gebiete an ein Deutsches Reich) ab. Eines sei-
ner Hauptwerke stellt die fünfbändige Geschichte
von Böhmen (erst auf Deutsch, dann Tschechisch
herausgegeben) dar, die er mit höchster wissen-
schaftlicher Erudition und Akribie schrieb. Für
seine großen Verdienste wurde František Palacký – neben Kaiser Karl IV. (dem „Vater der Hei-
mat“) – als „Vater der Nation“ verehrt. Seine
Doppelprofession als Historiker und als Politiker
spiegelte sich auch in der Gestalt seines Denk-
mals. Hier verknüpft der Künstler diese genann-
ten Aspekte mit dem damaligen Nationalismus,
den Antagonismen zu Wien und last but not least
mit der eindeutigen stilistischen Orientierung an
Rodin.
Die Idee des František-Palacký-Denkmals
tauchte kurz nach dem Tod des Politikers (1876)
auf: Zu seinen Ehren wurde 1878 eine neue, die
Prager Neustadt mit dem industriellen Vor-
ort Smíchov verbindende Brücke nach ihm be-
nannt (Abb. 5). An deren Brückenkopf sollte im
Rahmen der laufenden Uferregulation ein neu-
er Platz entstehen. Auf diesem, damals aber noch
nicht existierenden Platz (es war tatsächlich noch
lange Zeit eine riesige Baustelle) legte man im
Sommer 1898 – „vor den Augen aller Slawen“
(in Anwesenheit der Delegationen aus anderen
slawischen Ländern) – den Grundstein. Die un-
günstige Lage dieser Lokalität gab während der
folgenden 15 Jahre Anlass zu verschiedensten Po-
lemiken.
In der ersten Runde des Wettbewerbs für
das Palacký-Denkmal (1898) bewertete man
zwei Entwürfe, und zwar denjenigen Suchardas
(gemeinsam mit dem Architekten Alois Dryák)
Abb. 5: Ostteil der Palacký-Brücke mit dem künftigen Pa-
lacký-Platz, Ende des 19. Jahrhunderts.
František Palacký im Prager Pantheon und auF dem Platz 373
17 Aus dem Privatnachlass von Stanislav Sucharda – unsortiert.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Title
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Editor
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Size
- 18.5 x 26.0 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Categories
- Geschichte Chroniken