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PrÀdiktion von maschineller Wahrnehmungsleistung beim automatisierten
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Erweiterung des sicher prÀdizierbaren Zeitraums, können aber Planungsalgorithmen den-
noch unterstĂŒtzen. Ferner ist anzumerken, dass manuelle Fahrer auch in vielen Situationen
keine Chance haben, geeignet zu reagieren, wenn sich andere FahrzeugfĂŒhrer nicht regel-
gerecht verhalten oder unvorhergesehene Fahrfehler begehen. Insofern mĂŒssen auch an
automatisierte Fahrzeuge sicher keine zu ĂŒbertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Dies ist aber natĂŒrlich eine Frage des gesellschaftlichen Konsenses hinsichtlich des zu-
lÀssigen GefÀhrdungspotenzials einer neuen Technologie.
20.5 Zusammenfassung
Die existierenden Methoden der Zustands- und ExistenzschÀtzung basieren auf einer ge-
schlossenen, fundierten Theorie und erlauben schritthaltend eine zuverlÀssige Bewertung
der aktuellen GĂŒte der maschinellen Wahrnehmungsleistung. Hiermit ist es möglich, Kom-
plettausfÀlle einzelner Sensoren sowie eine schleichende Degeneration in der Sensorik und/
oder Wahrnehmung festzustellen.
Die Verfahren erlauben jedoch keine Vorhersage der zukĂŒnftigen Wahrnehmungs-
leistung, lediglich ein lineares Fortschreiben von erkannten Trends ist denkbar. Die Zuver-
lĂ€ssigkeit und GĂŒte der Bewertung der maschinellen Wahrnehmungsleistung ist von ver-
fĂŒgbaren Sensormodellen abhĂ€ngig, insbesondere von Fehlermodellen, die sensor- und
herstellerspezifisch sind. Die Wahrnehmungssysteme allein besitzen keine ausreichende
PrĂ€diktionsfĂ€higkeit, die einen Zeithorizont zwischen fĂŒnf und zehn Sekunden sicher ab-
decken könnte, so wie er heute fĂŒr den RĂŒckgabefall des hochautomatisierten Systems an
den Fahrer angesehen wird. Dies ist allerdings fĂŒr ein sicheres Verhalten eines automati-
sierten Fahrzeugs vermutlich auch gar nicht notwendig. Entscheidend fĂŒr die Beherrsch-
barkeit von Situationen beim automatisierten Fahren sind ausreichend viele, physikalisch
umsetzbare und sichere Handlungsoptionen des automatisierten Fahrzeugs. Diese sind im
Wesentlichen durch die rÀumliche NÀhe von begrenzenden Objekten zum eigenen Fahr-
zeug und den verfĂŒgbaren, befahrbaren Freiraum bestimmt, sodass rĂ€umliche NĂ€he unter
Einbeziehung von Unsicherheiten in der Wahrnehmung und die Zahl der physikalisch
möglichen, sicheren Handlungsoptionen in Kennzahlen zur Bewertung einer KritikalitÀt
einflieĂen mĂŒssen. Auch muss die aktuell verfĂŒgbare maschinelle Wahrnehmungsleistung
hierin BerĂŒcksichtigung finden. Derartige ausreichend abgestimmte und theoretisch fun-
dierte KritikalitĂ€tsmaĂe existieren heute noch nicht.
Eine SituationsprĂ€diktion in die Zukunft ĂŒber einen Zeitraum von zwei bis drei Sekun-
den hinaus wird bei rein modellbasierter, probabilistischer Fortschreibung keine Aussage
mehr liefern, da jede Entwicklung der Situation möglich ist. Ein möglicher Lösungsansatz
und eine zukĂŒnftige Forschungsfrage ist die kontextbezogene, hypothesenbasierte zeitliche
Fortschreibung einer erkannten und bewerteten Situation. Eine Möglichkeit ist hier, in
Anlehnung an das menschliche Verhalten, Situationsepisoden, d. h. reale Entwicklungen
aus einem beliebigen Anfangsstand im Fahrbetrieb, zu erfassen, zu clustern und in einer
Wissensbasis zu hinterlegen. Bei vorhandener Wissensbasis kann dann stÀndig die aktuel-
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung