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Gesellschaftliche Risikokonstellation für autonomes Fahren – Analyse,
Einordnung672
In diesem Szenario würde sich allerdings die Frage stellen, wer von den Vorzügen des
autonomen Fahrens, also vor allem Sicherheit und Komfort, überhaupt profitieren würde.
Wenn das autonome Fahren nur dazu führen würde, dass alle, die sich heute chauffieren
lassen können, dann auf ihre Chauffeure verzichten und dadurch auch noch trotz erhöhter
Anschaffungs- und Betriebskosten autonomer Fahrzeuge in der Gesamtbilanz Kosten ein-
sparen würden, käme dies sicher nicht einer größeren Zugangsgerechtigkeit zur Mobilität
zugute. Das wäre vor allem dann nicht der Fall, wenn ein Großteil derjenigen, die heute
selbst fahren, aufgrund der Kosten keinen Zugang zum autonomen Fahren hätte. Derartige
im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit problematische Entwicklungen wären freilich
erstens nicht sehr spezifisch für das autonome Fahren, denn die gerechte Verteilung der
Vorteile neuer Technologien ist eine Grundsatzfrage im technischen Fortschritt. Zweitens
bliebe diese Sorge spekulativ, da zu den Kosten keine belastbaren Aussagen vorliegen.
Gerechtigkeitsprobleme könnten sich in Bezug auf die Kosten einer möglicherweise zu
etablierenden neuen Infrastruktur für autonomes Fahren stellen [13], [4]. Wenn dies z. B.
als öffentliche Aufgabe gesehen und über Steuergelder finanziert würde, würden auch
Nichtnutzer das autonome Fahren mitfinanzieren. Wenn die Kosten auf alle Autofahrerin-
nen und -fahrer umgelegt würden, würden sich ebenfalls die Nichtnutzer als Subventionie-
rende des autonomen Fahrens sehen. Je nachdem wie hoch die Infrastrukturkosten und
damit die Belastungen wären, könnte dies zu Gerechtigkeitsdebatten über die Verteilung
der Kosten Anlass geben.
30.3.6 Risikokonstellation Privatheit
Bereits heute liefern moderne Automobile eine Fülle von Daten und hinterlassen elektro-
nische Spuren, z. B. durch Verwenden einer Navigationshilfe oder durch an die Hersteller
übermittelte Daten. Falls autonome Fahrzeuge nicht bordautonom wären, sondern ständig
vernetzt sein müssten, würden die elektronischen Spuren ein vollständiges Bewegungs-
profil ergeben [13]. Nun müssen Bewegungsprofile von Fahrzeugen nicht identisch
sein mit Bewegungsprofilen von Nutzerinnen und Nutzern. Bei Vehicles-on-Demand
(s. Kap. 2) ist es natürlich vorstellbar, dass diese anonym genutzt werden könnten, wenn
Bestellung und Bezahlung anonym erfolgen – was jedoch angesichts der gegenwärtigen
Entwicklung hin zu elektronischen Systemen eher inkonsequent erscheint.
Bewegungsprofile sind eine wertvolle Information für Geheimdienste, die etwa die
räumliche Bewegung von Regimegegner verfolgen könnten, aber auch für Unternehmen,
die z. B. daraus Profile für zielgenaue Werbung ableiten könnten. Angesichts der zuneh-
menden Digitalisierung und Vernetzung von immer mehr Bereichen des gesellschaftlichen
und individuellen Lebens stellt die spezifisch zusätzliche Digitalisierung im autonomen
Fahren vermutlich nur ein Element neben vielen anderen dar. Das Problem – bereits heute
wird immer wieder von einem Ende der Privatheit gesprochen – ist um ein Vielfaches
größer, wie dies die aktuellen Debatten um NSA, Industrie 4.0 und Big Data zeigen. Das
Entstehen einer konvergierenden Megainfrastruktur aus Verkehrssystem, Informations-
Autonomes Fahren
Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte
Gefördert durch die Daimler und Benz Stiftung