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Das Badhaus
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nung (Stube, Küche, Kammern, Abtritt). Das Haus war meist ein Massivbau, doch gab
es auch Bäder mit einem Obergeschoss aus Fachwerk. Öffentliche Badhäuser in reiner
Holzbauweise traf man nur sehr selten an.32
Zentraler und größter Raum eines jeden Badhauses war die Badstube. Gab es nur
eine für beide Geschlechter, dann badeten Männer und Frauen zu unterschiedlichen
Tageszeiten oder an verschiedenen Tagen. War Platz für zwei Baderäume, wurde die
Männer- von der Frauenstube durch eine hölzerne, seltener durch eine massive Trenn-
wand geschieden. In diesem Fall wurde der Badeofen an die Trennwand zwischen bei-
den Stuben gesetzt und die Schwitzbänke unmittelbar vor den Ofen gestellt. Oder der
Ofen stand im größeren Raum direkt an der Trennwand und wurde zu beiden Stu-
ben geöffnet. Damit die heiße Luft sich gleichmäßig in beiden Badstuben ausbreiten
konnte, wurde die Trennwand nicht bis zur Decke hochgezogen, sondern im oberen
Teil nur mit einem Gitter (»Gätter«) versehen.33
Die Badegäste saßen auf unterschiedlich hohen Holzbänken, meist in drei Stufen
voneinander geschieden. Den besten Schwitzeffekt erreichte man auf der höchsten
Bank dicht unter der Decke, wo die heißeste Luft war und wo sich mit einem Blick
durch das Gitter die erfreuliche Möglichkeit bot, seine anatomischen Kenntnisse über
das andere Geschlecht zu vervollständigen. Kein Wunder, dass die oberste Bank sehr
beliebt war und gern benutzt wurde, bisweilen zu lange, so dass schon einmal einer
ohnmächtig herabsank. Kein Wunder auch, dass ein strenger Moralist wie Guarinoni
sich über die Gitter empörte. Er schreibt :
»Und ob gleichwol hültzene dinne Wänd entzwischen unnd Mann von Weib underschieden,
so ist doch in gemein die ober halbe Wandt gegättert, damit die Hitz hindurch möge, das
Holtz erspart und Unzucht gemehrt, und wer der Höhe zusteigt, im Ansehen der Weiber und
die Weiber der Männer ergetzt werden. Unnd ist uber diß stets die Thür offen und die Bader
und Schandknecht hin und wider auß unnd ein lauffen, daß eins das ander gar wol sehen
kann, und gleich wie mit einer Badhitz beede Zimmer gehitzt werden, also wirdt beedes
Geschlecht mit einer Unzucht verstrickt.«34
Es ist bekannt, dass Guarinoni zu Übertreibungen neigte, namentlich dann, wenn er
sich über die herrschende Sittenverderbnis entrüstete, aber er war auch ein scharfer,
genauer Beobachter seiner Umwelt, so dass man ihn nach gewissen Abstrichen als kor-
rekten Chronisten seiner Zeit ansehen darf. Einige seiner Bemerkungen zum (Haller)
Badewesen sind sicher überzeichnet, aber kommen trotzdem der Wirklichkeit nahe.
Ein »Gitterfenster« im Bad hatte übrigens auch Rattenberg.
Der meist bis zur Raumdecke aufgemauerte Badeofen hatte eine vertiefte Brenn-
kammer und wurde von einem Nachbarraum aus beheizt. Im Oberbau des Ofens lagen
in einer Bogenöffnung locker geschichtete Steine. Sie dienten dazu, die Wärme über
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute