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Zur
Forschungslage18
Einklang zu bringen. Er nahm nun zwei verschiedene , nebeneinander bestehende
Kunstströmungen an : einerseits die von den Zisterziensern aus Burgund ins Land
gebrachte frühgotische Formensprache , andererseits die bereits heimisch gewordene
reife Spätromanik der Baukunst unter Ottokar II. Přemysl41.
Obwohl Richard Kurt Donin 1951 unter dem Eindruck der Forschungen Karl
Oettingers42 auch die Frühdatierung der Capella Speciosa von 1222 endlich aner-
kennen musste43 , nahm er selbst in seinen letzten Arbeiten nichts davon zurück ,
was er über das Bestehen einer umfangreich tätigen , stilistisch rückständigen
spätromanischen Bauhütte im Wiener Raum ausgeführt hatte , deren Entfal-
tungsschwerpunkt erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts gelegen sei44. Weiteste
Verbreitung fanden Donins Datierungen in dem von ihm herausgegebenen und
hauptsächlich bearbeiteten Dehio Handbuch von Niederösterreich : Darin datierte
Donin den Tullner Karner in das 3. Viertel des 13. Jahrhunderts , den Karner von
Pulkau in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts , die Klosterkirche Kleinmariazell mit
den beiden damals bekannten Portalen nach 1250 , die Rosenkranzkapelle und da-
mit den gesamten spätromanisch-frühgotischen Neubau des Doms von St. Pölten
nach 1267 , das Brauttor der Liebfrauenkirche Wiener Neustadt um 1260 und die
Stadtpfarrkirche von Laa an der Thaya ins 4. Viertel des 13. Jahrhunderts45. Nach
Donin folgte auch noch Franz Eppel in seinen Arbeiten aus den 1960er-Jahren
diesen Datierungen46.
Im Jahre 1952 versuchte Walther Buchowiecki den noch immer ungelösten Ge-
gensatz zwischen anscheinend gleichzeitig nachweisbaren frühgotischen und stil-
beharrend spätromanischen Bauten im 13. Jahrhundert in Österreich durch or-
densspezifische Baugepflogenheiten zu erklären47. Wie der Verfasser meinte , sei
die fortschrittliche gotische Stilströmung ausschließlich durch den straff organi-
sierten Zisterzienserorden verbreitet worden – freilich musste Buchowiecki zuge-
ben , dass etwa die Zisterzienserstiftskirche Baumgartenberg in Oberösterreich ,
ein erst zur Mitte des 13. Jahrhunderts fertiggestellter Bau , eine seltsame Rückstän
digkeit zeigt und dass Baureste aus der gleichen Zeit im Zisterzienserkloster Wil-
hering gleichfalls noch stark am Romanischen haften48. Wie Buchowiecki meinte ,
seien Benediktiner … durch die rasch um sich greifende und zügig an Boden gewin
nende nordfranzösische Gotik über Deutschland nach Österreich abgedrängt wor-
den ; diese Ordensbauleute seien noch stark an die Bautraditionen der Romanik
gebunden gewesen. Durch weiteren Zustrom normannisch geschulter Arbeitskräf-
te habe ihre Tätigkeit allmählich den Charakter jener normannischen Invasion an-
genommen49 , die Richard Hamann postuliert hatte.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur