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91Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
von Grund auf neu errichtet und erhielt einen statisch stabileren kreuzförmigen
Querschnitt. Am Außenbau wurden die Schuppenfriese nun durch Rundbogen-
friese ersetzt. Nicolai schloss aus seinen Bauuntersuchungen , dass beim Wieder-
aufbau eine wesentliche Planänderung erfolgt sei : Der Ostabschluss des Chormit-
telschiffs habe nach seiner Meinung ursprünglich einen geraden Wandabschluss so
wie an den Zisterzienserkirchen von Morimond , Citeaux II und Ebrach II beses-
sen ; beim Wiederaufbau sei der Hochchor aber nicht mehr mit einer geraden Ab-
schlusswand hergestellt , sondern mit einem Apsispolygon über fünf Seiten eines
Zehnecks abgeschlossen worden ( Abb. 27 ,32 ). Nicolai vermutete , dass mit dieser
Gestaltungsform eine größere statische Stabilität erreicht werden sollte. Diese Ent-
scheidung führte nach Ansicht Nicolais im Bereich des bereits bestehenden Hal-
lenchors zu nachträglichen Veränderungen. Der Achsenkonflikt einer Öffnung im
Chormittelschiff gegenüber einer Pfeilerstellung im Hallenbereich musste im Ge-
wölbe durch Einsatz eines Rippendreistrahls überbrückt werden ( Abb. 27 ). Außer-
dem errichtete man zur Ableitung des Gewölbeschubes vom Chorquadrat über die
Gewölbe der Umgangshalle hinweggreifende , weit gespannte Strebebogen nach
Norden und Süden. Auch die Nordmauer des Querschiffs wurde nun mit zwei
riesigen Strebebogen nach außen abgestützt. Das Chorpolygon erhielt fünf Rund-
bogenfenster , deren innere Gewände mit schlanken Knospenkapitellen noch heute
im Bereich des Dachbodens oberhalb der bestehenden barocken Gewölbekappe
erhalten sind ; die Öffnungen der Fenster
wurden später zugemauert305. Ulrike See-
ger306 , Kurt Bleicher307 und Tibor Ros-
tás308 vertreten dagegen die Ansicht , dass
der Ostabschluss des Hochchors schon
von Anfang an als 5 / 10-Polygon geplant
und aufgeführt worden sei , da die am
Obergaden feststellbare Baufuge zwi-
schen Chorquadrat und Apsispolygon am
Innenbau nicht tiefer hinab verfolgt wer-
den könne309. Nach ihrer Meinung sei le-
diglich der Bereich im Obergaden nach-
träglich erneuert worden310.
Abb.
31 : Kapitellgruppe im Hallenchor der Stiftskir
che Lilienfeld
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur