Page - 92 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
Image of the Page - 92 -
Text of the Page - 92 -
Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
92 Renate Wagner-Rieger meinte , dass die
Entscheidung zum Bau des Chorpolygons
von Herzog Leopold VI. selbst getroffen
worden sei. Die damit verbundene Ho
heitsform habe dem kathedralen Baugedan
ken entsprochen , den der Landesfürst in
seiner Stiftskirche verwirklicht sehen woll-
te311. Die Dimensionen der Stiftskirche ,
des größten Sakralbaus in den Ländern
der Babenberger , und auch die Gestaltung
des Hochchors mit Polygonalapsis entspre-
chend französischen Bischofskirchen , sei-
en bewusst im Hinblick auf die politischen
Intentionen des Herzogs gewählt worden.
Sibylle Hauser-Seutter gab dagegen zu be-
denken , dass die Polygonalapsis auf die liturgischen Neuerungen des Vierten La-
terankonzils von 1215 zurückgehen könnte , durch die die Zelebrationsrichtung des
Priesters bei der Messfeier versus Orientem verpflichtend festgelegt worden war , und
dass man damit dem Hochaltar der Klosterkirche einen wirkungsvoll gesteigerten
architektonischen Hintergrund geben wollte312. Tatsächlich gehört die Hochchor-
apsis von Lilienfeld , die nach Bernd Nicolai zwischen 1217 und 1230 errichtet wur-
de , zu den frühesten gotischen Polygonalapsiden in Österreich313.
Als Erzbischof Eberhard von Salzburg und die Bischöfe Gebhard von Passau
und Rudger von Chiemsee am 30. November 1230 die Stiftskirche von Lilienfeld
einweihten , waren zumindest das Querschiff , das Presbyterium im Hochchor ,
die Chorumgangshalle und das westlichste Langhausjoch vollendet. Außerdem
standen die Umfassungsmauern des übrigen Langhauses schon bis zur Höhe des
Rundbogenfrieses , der die gleiche Form zeigt wie am Chorpolygon , dazu auch
noch die Hauptmauern des Klosters , vom fertiggestellten Kapitelsaal über den
Ostdurchgang zum Refektorium im Süden und zum Cellarium im Westen , sodass
auch schon der darin eingeschlossene Kreuzgang errichtet werden konnte. Herzog
Leopold VI. , der die Weihe nicht mehr selbst erlebte , da er am 28. Juli 1230 in San
Germano in Italien verstorben war , wurde seinem Wunsch gemäß im Presbyteri-
um der Kirche zwischen den nördlichen Arkadenpfeilern beigesetzt. Gleich nach
seinem Tode erneuerte Leopolds Sohn und Nachfolger Herzog Friedrich II. die
Privilegien für Lilienfeld. Gemeinsam mit seiner Mutter Herzoginwitwe Theodo-
Abb.
32 : Aufrissschnitt durch Hochchor und Vierung der Stifts
kirche Lilienfeld
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur