Page - 270 - in Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
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2?d Das Maltaihal in Käriithcn,
So lange wir dieser Richtung folgten, benahmen die Abhänge
des Gletschers unmittelbar zu unserer Rechten jede Aussicht. Schon
hatten wir uns dem Tullenock stark genähert, aber damit auch jene
steile Stufe im Gletscher überwunden, und nun wandten wir uns
westlich und gegen die Mitte des Kceses. Jetzt gewannen wir auch
einen freieren Ausblick. Im südlichen Eiskamme maßten sich freilich
noch untergeordnete Eiswände die Hauptrolle an, welche nur den von
der Tiefe aus durch sie gedeckten Hochspitzen gebührt. Allein zur Rechten
nach vorne im Gletscher ragte die spitze Pyramide des Preiinelspitzes
mächtig ans, und vor uns lag der vielgestaltige Kamm gegen Groß°Elend.
Unser Weg war nicht ohne Gefahren, denn der Gletscher ist im
hohen Grade in gewaltige Klüfte zerrissen. Vor Allem siel mir die
Beschaffenheit des Eises auf, das wenig compact und von fast Zrie-
sigcm Gefüge selbst an den Klüften nirgends das schöne Blau hatte,
welches man auf den mächtigen Gletschern der Eentralalpen in der
Regel antrifft.
Vielmehr erinnerte mich das Hochalpenkees durch die Art seines
Eises und die Gestaltung feiner breiten Klüfte mit ihren nicht senk-
recht abgeschnittenen, sondern unregelmäßig abgerissenen Wänden an
die Eisfelder auf den Kalkalpen und insbesondere an das Karlseisfeld
am Dachstein, und ich stellte mir die Frage, «hne sie jedoch mit Sicher-
heit beantworten zu können, ob nicht dieser äußerste-größere'Gletscher
der Alpen gegen Osten in einer verhaltnißmaßig späteren Periode ent-
standen ist und deshalb der festen Struktur der alten Gletscher, wie
sie uns besonders in einigen Oetzthalerfernern entgegentritt, ermangelt.
Wir hatten uns schon lange mit den Seilen zusammengebunden
und steuerten bereits eine geraume Zeit lang zwischen den Klüften hin
und her. Die weiten Umwege, welche zur Umgehung einzelner großer
Schlünde gemacht werden mußten, und die stets drohendere Gestaltung
der Witterung wirkten sichtlich herabstimmend auf die beiden^Führer.
Da fiel noch zu allem Ueberflusse Anderl in Folge des Abbrecheus
einer an den Rand einer breiten Kluft angefrorenen Schneemasse, von
welcher er auf den jenseitigen Rand springen wollte, in eine Spalte,
nachdem zuerst ich, dann der Knappen-Tepp, deren Körpergewicht freilich
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918