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Laibach, Lemberg, Czernowitz | 147
(Celje/Cilli, Maribor/Marburg, Brežice/Rann) in der Regel unübersetzt bleibt15 –
das Narodni dom, das hier als „VOLKSHAUS“ bezeichnet wird: Man hätte es
auch, wie in Abb. 4, mit Nationalhaus übersetzen oder diese Bezeichnung als Ei-
gennamen, wie auf anderen Karten, unübersetzt lassen können. Über die Gründe
für diesen eklatanten Unterschied kann man nur spekulieren – wollte man das We-
sen des Narodni dom auch für die deutschsprachige Minderheit oder für Orts-
fremde verständlich gestalten? Spuren einer ähnlichen Problematik trifft man auf
zahlreichen Dorfkarten der Zeit anhand der Entsprechungen für dt. Volksschule,
die, auch auf den Gebäuden selbst, abwechselnd als Narodna šola und Ljudska
šola auftauchen.16
Das vielleicht interessanteste Beispiel dieser Bildreihe aus linguistischer Sicht
liefert uns das Bild rechts unten mit dem Aufdruck SPITALSKE ULICE – SPI-
TALGASSE. Es handelt sich um die heute vergessene Pluralform des Substantivs
ulica ‚Gasse‘ in der Form ulice, welche auf Postkarten und Straßenschildern der
Jahrhundertwende jedoch die Norm darstellte. Bezüglich der Tradition dieser
Wortform und der Gründe für deren Verwendung im ausgehenden 19. Jahrhundert
muss aus Platzgründen hier auf eine im Entstehen begriffene Arbeit mit reichli-
chem Illustrationsmaterial verwiesen werden.
Eine Darstellung der Postkartenlandschaft dieser Stadt wäre jedoch unvoll-
ständig, würde sie nicht auf einen zwar quantitativ unbedeutenden, jedoch symp-
tomatisch wichtigen Aspekt hinweisen – die Spuren nationaler Konflikte, die man
dem Material entnehmen kann. In meiner Sammlung von etwa 70 physisch vor-
handenen Karten aus Laibach befinden sich lediglich zwei (!) Karten, auf denen
die handschriftliche Streichung der slowenischen Namensform festzustellen ist17;
von den mir nur in Reproduktionen bekannten etwa 350 Laibacher Karten weisen
11 derartige Streichungen (in beide Richtungen) auf. Die Streichung des Grußtex-
tes oder Ortsnamens in der Sprache des jeweils anderen nationalen Lagers und
15 Vgl. in der Online-Datenbank POLOS die Objekte polos_2034, polos_2083,
polos_3019, polos_794, polos_1110 (Celje, Maribor, Brežice, Ptuj, Slovenj Gradec),
abrufbar auf https://gams.unigraz.at/archive/objects/context:polos/methods/sdef:Context/
get?mode=collection über die Suche „Narodni dom“.
16 Vgl. für die Untersteiermark zahlreiche Beispiele aus der Datenbank POLOS zu
„Narodna šola“: https://gams.uni-graz.at/o:polos.1077, https://gams.uni-graz.at/
o:polos.1183 u.v.a. (Suchbefehl: narodna šola; analog: ljudska šola).
17 Dieser geringe Anteil ist umso auffälliger angesichts der Tatsache, dass meinerseits
beim Sammeln des Materials für meine Sammlung, sprich: dem Erwerb der Karten in
Antiquariaten, auf Flohmärkten und via Internet, gerade auf solche Exemplare beson-
ders Bedacht genommen wurde.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen