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Laibach, Lemberg, Czernowitz | 155
Es besteht die Vermutung, dass neben Polen vor allem Schreibende aus anderen
slawischsprachigen Gegenden rein polnisch bedruckte Karten gekauft und ver-
schickt haben könnten, da der Autor dieser Zeilen in der slowenischen National-
und Universitätsbibliothek (NUK) in Ljubljana fast ausschließlich bildseitig nur
polnisch bedruckte Karten vorgefunden hat, was ein völlig anderes Bild der Lem-
berger Verhältnisse ergibt, als dies aufgrund der eigenen Sammeltätigkeit entstan-
den ist. Erneut zeigt sich, dass die jeweilige Sicht entscheidend davon abhängig
sein kann, wer, wie, wann und nach welchen Kriterien Postkarten gesammelt hat
und welche Sammlung ein Historiker oder Linguist für seine Analyse zurate zieht,
weshalb man mit verallgemeinernden und quantitativen Aussagen besonders vor-
sichtig sein sollte.29 Zufällig ist es hier auch möglich, eine Erklärung für den Be-
fund in der NUK zu versuchen: Bei den Adressaten dieser Karten handelt es sich
zumindest teilweise um nationalbewusste Slowenen, die uns schon aus unserer
Recherchetätigkeit zur Untersteiermark bekannt waren.30
Ebenso als polnisch nationalbewusstes Zeichen sind Karten zu werten, welche
im Aufdrucktext das Sprachenpaar Polnisch-Französisch zeigen, fungierte an-
sonsten doch die deutsche Sprache in Zisleithanien de lege – aber auch de facto –
neben der polnischen als verbindendes Glied der unterschiedlichen Nationalitä-
ten.31 Derartige Karten, obwohl quantitativ in der Minderheit, mussten von den
Produzenten als deutlicher Affront gegen das allmächtige Deutsch intendiert ge-
wesen sein, da weiter entfernt lebende einsprachig deutsche Leser aufgrund der
Bezeichnungen „Lwów“ und dem wenig bekannten französischen „Léopol“ die
Stadt nicht ohne Weiteres identifizieren konnten. Eine der mir bekannten Karten
dieses polnisch-französischen Typs zeigt zudem noch andere Hinweise auf eine
antideutsche Haltung:
29 Vgl. dazu auch den Beitrag von Eva Tropper in diesem Band.
30 Vgl. die Fallstudien in Almasy/Tropper, Štajer-Mark, S. 120-133, 134-147.
31 Zur rechtlichen Lage der einzelnen Sprachen in Galizien vgl. die Darstellung bei Wolf-
dieter Biehl, „VI. Die Ruthenen“, Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hg.), Die
Habsburgermonarchie 1848-1918. Band III/1. Die Völker des Reiches, Wien 1980,
S. 555-584, hier S. 568-570.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen