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192 | Tjaša Jakop
die auch durch den Umstand bestärkt wird, dass die Karte an (vermutlich) Ver-
wandte in Bučečovci/Wudischofzen, einem Ort zwischen Ljutomer/Luttenberg
und Gornja Radgona/Ober-Radkersburg, adressiert ist. Auf der Rückseite findet
man neben anderen Eigenarten noch den Dativ des Personalpronomens on in der
Form „onemi“ für standardslow. onemu, ebenfalls eine Besonderheit des Prlekija-
Dialekts.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Analyse der in diesem Beitrag präsentierten Mitteilungstexte aus verschiede-
nen Teilen des steirisch-slowenischen Dialektraumes sollte (wenn auch in be-
schränkter Zahl) zeigen, wie reich in der schriftlichen, informellen Sprachverwen-
dung die Palette an stilistischen, phraseologischen, morphologischen und nicht
zuletzt phonetischen Besonderheiten in einer Zeit war, als das Slowenische noch
kaum normiert und vor allem sozial äußerst schwach abgesichert war. Die Schrei-
benden der analysierten Postkarten hatten mit Sicherheit nur zum Teil eine (rudi-
mentäre) Schulbildung in ihrer Muttersprache genossen, und der Unterricht derje-
nigen, die in den acht Volksschulklassen in Slowenisch unterwiesen worden wa-
ren, war vermutlich nicht immer in den Händen eines kompetenten Lehrpersonals
gelegen. Umso mehr verrät uns die Schreibweise der AutorInnen der Karten un-
gefiltert deren Blicke auf die sie umgebende zweisprachige Dorf- und Stadtwelt,
ihre Sprache lässt Rückschlüsse auf ihre regionale Herkunft und soziale Veranke-
rung zu.
Die linguistische Analyse hat einmal mehr gezeigt, dass der Wert von Post-
karten als Quellenmedium nicht nur, wie uns die meisten populärwissenschaftli-
chen bilderbuch-ähnlichen Publikationen suggerieren, in der dargestellten Bild-
welt zu suchen ist, sondern vor allem auch im Zusammenspiel der Faktoren Bild,
Text und Postlauf, und uns Rückschlüsse sowohl auf den Bildungsstand wie auch
auf die soziale und ideologische Verankerung der Schreibenden ermöglicht. Nicht
zuletzt können Postkarten – wie der vorliegende Beitrag zu zeigen versuchte –
auch für ganz andere Zwecke ein reiches Quellenmedium sein: nämlich für eine
sprachwissenschaftliche Analyse, da sie in großer Masse Einblicke in schriftliche
Sprachrealitäten liefern. Für die Linguistik – im Falle dieses Beitrages die Slowe-
nistik – sind elaborierte Sprachverwendungen, wie wir sie auf der Karte zwischen
Lehrer und Arzt sehen konnten, in dieser Hinsicht weniger aufschlussreich als der
restringierte Code der zahlreichen Beispiele einfachen, ‚naiven‘ Schreibens. Da-
bei sollte man nicht übersehen, dass der Großteil der analysierten Abweichungen
vom damaligen wie heutigen Standard auch überregional verständlich ist, sodass
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen