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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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Page - 84 - in Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert

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84 christinE JakoBi-mirwald die Bedeutung des Buchkusses im Sakramentar habe ich in diesem Zusammenhang schon hingewiesen:47 Nur im Sakramentar bzw. Missale lassen sich die entsprechen- den Abreibungen in diesem Maß an einer Stelle festmachen, und aus ihrem Fehlen kann nahezu sicher geschlossen werden, dass das Buch nicht liturgisch verwendet wurde.48 Im Kommentar des Faksimiles bezeichnet Felix Heinzer in Übereinstim- mung mit meiner Einschätzung49 das Berthold-Sakramentar als Repräsentations- oder Schatzhandschrift50 und zitiert eine Untersuchung Éric Palazzos von 1997:51 „le trésor apparaît comme l’élément principal de la mémoire spirituelle d’un lieu, comme un monastère par exemple, [...] Après les reliques, les livres sont les objets du trésor dont la signification symbolique touche le plus directement la fonction mémoriale.“52 Abt Bertholds Absicht, mit diesem Sakramentar in den Porträts und dem Bücherverzeichnis die memoria seiner Person zu sichern, ist ihm mehr als ge- lungen, verbinden wir doch heute sowohl den Codex selbst als auch den ausführen- den Künstler untrennbar mit seinem Namen. Dennoch ist diese starke „Personalisierung“ noch nicht das Bemerkenswerteste an diesem Buch, sondern vielmehr sein archaisierendes Gepräge. In diesem Zusam- menhang sei noch einmal das Augenmerk auf die vielen Ziernähte gerichtet: eng geführte Stoßnähte mit gezacktem Kontur, in weißen, rosafarbenen, violetten und blassgrünen Seidenfäden, wobei der wechselständige Farbwechsel darauf verweist, dass nicht alternierend (wie beim Schnürsenkelschnüren) gearbeitet wurde, son- dern erst eine Seite in Schlingstich versäubert und dann die zweite in einer ande- ren Farbe angenäht wurde. Beispiele sind etwa auf fol. 127 zu sehen (Abb. 1).53 Sie 47 Jakobi-Mirwald, Kreuzigung und Kreuzabnahme (zit. Anm. 18), S. 200–201. Zum Buchkuss, der im Missale weniger geregelt ist als der des Evangeliums, vgl. Rudolf Sun- trup: Die Bedeutung der liturgischen Gebärden und Bewegungen in lateinischen und deutschen Auslegungen des 9.–13. Jahrhunderts. München 1978 (Münstersche Mittelal- ter-Schriften 37), S. 362–379 (Der liturgische Kuss), bes. S. 370 m. Anm. 41; Christopher de Hamel: A History of Illuminated Manuscripts. London 1986, S. 190, Abb. 197; sowie Kathryn M. Rudy: Dirty Books: Quantifying Patterns of Use in Medieval Manuscripts Using a Densitometer. In: Journal of Historians of Netherlandish Art 2: 1–2 (Summer 2010), https://jhna.org/wp-content/uploads/2017/08/JHNA_2.1-2_Rudy.pdf (aufgeru- fen 17.3.2020). 48 Kein anderer Buchtyp weist diese Zentrierung auf, auch im Evangeliar/Evangelistar bzw. Lektionar fand nicht eine derartige Zentrierung auf einen Ort statt: Das Buch wurde und wird an der jeweiligen Stelle der Lesung geküsst. 49 Jakobi-Mirwald, Kreuzigung und Kreuzabnahme (zit. Anm. 18), S. 201. 50 Heinzer in: Das Berthold Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 36–38. 51 Éric Palazzo: Le livre dans les trésors du Moyen Age. Contribution à l’histoire de la Me- moria médiévale. In: Annales. Histoire, Sciences sociales 52 (1997), S. 93–118. 52 Ebd. S. 102–104. 53 Zur Deutung der Schnitte vgl. bereits Jakobi-Mirwald, Kreuzigung und Kreuzabnah- me (zit. Anm. 18), S. 200. Genäht sind zum Beispiel foll. 16, 20, 75, 76, 78, 83, 85, 86, 88, 89, 94, 96, 99, 102, 104, 108, 114, 119, 120, 122, 123, 127, 131. Die Einschnitte ragen mitunter maximal 1–2 cm in die Miniaturen hinein und sind dort übermalt, die Nähte erweisen sich als nachträglich, da sie stets vor dem Miniaturrahmen Halt machen. Man hat demnach erst geschrieben und gemalt und dann genäht, und da zwei Nähte durch den Bund gehen, erst nach dem Nähen gebunden – ein etwas komplizierter Vorgang, der aber die These der Verwerfung durch zu feuchte Malerei klar widerlegt. – Zur No- menklatur, einem Ergebnis einer Vortragsreihe am 34. Österreichischen Bibliothekartag
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Title
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Author
Christine Beier
Editor
Michaela Schuller-Juckes
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Size
18.5 x 27.8 cm
Pages
290
Categories
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