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2. Forschungsfrage und Zielsetzungen 35
2.1.2 Beratungstheoretisches Erkenntnisinteresse
Die gesellschaftliche Bedeutungszunahme von Beratung wird unter an-
derem auf die zunehmende Individualisierung und die damit verbundene
Tendenz zum lebenslangen Lernen zurückgeführt (vgl. Gieseke und Nittel
2016, S. 11). Gleichzeitig verlagert sich damit jedoch auch die Verantwor-
tung für erfolgreiche Integrations- und Anerkennungsprozesse verstärkt
auf die Individuen. Seel (2014, S. 30) reflektiert diese Entwicklung kritisch,
indem er Beratung als auf dem Weg zu einer »Individualisierungsagentur
der Selbstoptimierung« bezeichnet. Es stellt sich hier die Frage, wie Bera-
tung die individuelle Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit unterstützen
und gleichzeitig einer möglichen Individualisierung von sozialstrukturel-
len Rahmenbedingungen entgegenwirken kann. Für Schrödter (2014, S. 811)
folgt daraus notwendigerweise ein »dezidierter gesellschaftlicher Werte-
bezug und Auftrag« der Beratung. Dieser wirkt sich über die Elemente der
Professionalität, Institution und des Gesellschaftsbezugs auf die Beratungs-
praxis aus und bildet die widersprüchliche Basis für eine spezifische Sinn-
welt, welche gleichzeitig die relevanten Orientierungen für das professionel-
le Handeln bietet (vgl. ebd.).
Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes Selbstverständnis in der
Beratung, welches eine Abgrenzung von externen Erwartungen und Anfor-
derungen ermöglicht. Die Herausbildung eines gemeinsamen Beratungs-
verständnisses erweist sich jedoch aufgrund der Heterogenität und Komple-
xität des Beratungsfeldes als ein schwieriger Prozess. Gieseke und Stimm
(2016, S. 1) sehen aufgrund der breiten Ausdifferenzierung und Spezialisie-
rung die Notwendigkeit einer »erweiterten theoretischen und pädagogi-
schen Grundlegung« von Beratung. Arnold und Mai (2008, S. 26) stellen für
den gegenwärtigen Stand der Bildungs- und Berufsberatung fest:
»Bildungsberatung muss als Voraussetzung für einen Professionalisierungs-
prozess jedoch sowohl ihre typischen Felder kennen und einheitlich bezeich-
nen (Ende der babylonischen Sprachverwirrung) als auch ihre unterschiedli-
chen Anliegen methodisch angemessen verfolgen (Ende der Profillosigkeit)«.
In der Anerkennungsberatung ergibt sich der beratungstheoretische Kon-
text für die Rekonstruktion des Beratungsverständnisses aus der Einord-
nung von Anerkennungsberatung als eine eigenständige Fachberatung in
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik