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3. Theoretischer Analyserahmen 87
Dabei sind es die Erwartungen der Klient_innen, die Anforderungen der
Organisation bzw. der Fördergeber_innen und der Gesellschaft sowie die
Ansprüche der Beratenden, die nach verschiedenen Autor_innen zu Span-
nungsfeldern in der Beratung führen. Stanik (2015, S.
208) stellt in Bezug auf
die Auswirkungen von gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen
auf den Beratungsprozess fest, »dass sich Beratung in der Weiterbildung in
einem Spannungsverhältnis zwischen den (träger-)institutionellen Kontex-
ten, den Beratungsgegenständen der Ratsuchenden und dem professionel-
len Handeln der Beratenden bewegt«. Enoch (2011, S.
83) versteht den Profes-
sionalisierungsprozess der Beratung als einen »Vergesellschaftungsprozess,
um den emanzipativen Anspruch des Beraters mit den Wünschen und Be-
dürfnissen der Klienten und den Ansprüchen von Gesellschaft und Institu-
tionen in Einklang zu bringen«. Schröder und Schlögl (2014, S. 10) beschrei-
ben professionelle Beratung in einem »Spannungsfeld von divergierenden
Anforderungen, Erwartungen und Interessenslagen«. Professionelles Bera-
tungshandeln stellt innerhalb dieser Widersprüche kein »regelgebundenes
Handeln« (ebd., S. 11) dar, sondern zeigt sich stattdessen im bewussten Um-
gang und in der Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Anforde-
rungen und Erwartungen.
Es sind jedoch nicht nur die unterschiedlichen Anforderungen und Er-
wartungen, die zu Spannungsfeldern in der Beratung führen. Professionel-
les Beratungshandeln umfasst unaufhebbare Paradoxien und Widersprüche,
die bereits in dem Verständnis von Professionalität implizit enthalten sind.
Dazu gehört beispielsweise der unauflösliche Widerspruch einer Konstitu-
tion von Beratung als »Hilfe zur Selbsthilfe« sowie die Diskrepanz zwischen
alltäglichem und professionellem Wissen. Gröning (vgl. 2011, S.
90) beschreibt
das ethische Dilemma der Beratung in Bezug auf die personenzentrierte Ge-
sprächsführung nach Carl Rogers, die eine offene und vertrauensvolle Hal-
tung der Klient_innen voraussetzt und damit auch zu Abhängigkeit führen
kann. Schütze (2000, S. 65) bezeichnet diese unauflöslichen Paradoxien
professionellen Handelns als »Problemtypen zweiten Grades«. Dabei hebt er
hervor, dass es gerade der Versuch einer vereinfachenden Auflösung dieser
Paradoxien ist, der zu einer Verstrickung und Systemfehlern im professio-
nellen Handeln führt. Stattdessen können diese Paradoxien »nicht grund-
sätzlich gelöst, sondern nur projekt-, fall-, situations- und biographiespezi-
fisch umsichtig im Sinne von Gratwanderungen bearbeitet werden« (ebd.). Es
ist immer wieder notwendig, sich systematisch mit diesen »unaufhebbaren
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik