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in Asien, Amerika und Europa, darunter sind mehr
als 30 Megafabriken an Chinas Küste und im Landes-
inneren.
2010 gelang es Apple, außergewöhnliche 58,5 Pro-
zent des Verkaufspreises des iPhones als Gewinn
einzustreichen, ein beispielloser Erfolg in der welt-
weiten Fertigung.3 Besonders bemerkenswert ist,
dass die Arbeitskosten in China den kleinsten An-
teil ausmachten: nur 1,8 Prozent oder fast 10 US-Dollar
bei einem Verkaufspreis von 549 US-
Dollar. Amerika-
nische, japanische und südkoreanische Firmen, die die
komplexen elektronischen Komponenten herstellten,
schöpften über 14 Prozent des Wertes des iPhones ab.
Die Kosten der Rohmaterialien betrugen nur rund
ein Fünftel des gesamten Wertes (21,9 Prozent).4
Kurz gesagt: Während Foxconn sich eine Nische als
Endmonteur des iPhones geschaffen hatte, floss der
Löwenanteil des Profits
an Apple.
In der internationalen
Arbeitsteilung fließt also
wenig Gewinn an Foxconn
und noch weniger an die
Arbeiter*innen in der Elek-
tronikverarbei tung und
Montage. Doch der Maßstab
von Foxconns Produktion
erreicht gigantische Maß-
stäbe. Foxconn ist ein Key
Player im globalen Netz-
werk, in dem die Pro-
duktion, die Montage
und der Versand der fertigen Produkte rund um
die Uhr, 24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im
Jahr stattfinden. Neben Apple ist Foxconn Haupt-
lieferant von IBM, Micro soft, Alpha bet (früher
Google), Intel, GE, HP, Dell, Cisco, Amazon, Black-
Berry, Vizio, Philips, Sony, Panasonic, Toshiba, Fu-
jitsu, Nintendo, Samsung, LG, Acer, HTC, Lenovo,
Huawei, ZTE, Xiaomi und anderen Tech-Konzernen.
Von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung
bis zur Endmontage hat Foxconn ein Netzwerk auf-
gebaut, das auf vertikaler Integration und flexi bler
Koordination zwischen verschiedenen Anlagen und
der 24-Stunden-Montage basiert. Bemerkenswert
ist, dass im fiskalischen Jahr 2017 die Profite von
Foxconn höher lagen als die der meisten seiner Kun-
den, darunter Sony (4,4 Milliarden US-Dollar), Hitachi
(3,3 Milliarden US-Dollar) und Amazon (3 Milliarden
US-Dollar). Allerdings fielen Foxconns 4,6 Milliarden US-Dollar klein aus im Vergleich mit Apple, dem wert-
vollsten Technologiekonzern der Welt. Im Jahr 2017
erzielte Apple den Spitzengewinn von 48,4 Milliarden
US-Dollar.
CHINESISCHE ARBEITER*INNEN
IN DER GLOBALEN ELEKTRONIKPRODUKTION
Zwischen Januar und Dezember 2010 begingen
18 Arbeiter*innen Selbstmordversuche auf dem Fox-
conn-Gelände. 14 von ihnen starben, vier überlebten
mit schweren Verletzungen. Die Betroffenen waren
im Alter von 17 bis 25 Jahren. Sie alle kamen aus dem
ländlichen Raum und waren noch im Jugendalter, ein
Sinnbild für die neue chinesische Arbeiter*innen-
klasse.6 Lui Kun, Foxconns Leiter für öffentliche
Kommunikation, wies darauf hin, dass die Firma
im Mai 2011 mehr als eine Million Angestellte al-
lein in China beschäftigte und die Gründe für die
Selbstmorde vielfältig seien.
«Im Verhältnis zu der Größe des Unternehmens ist die
Selbstmordrate bei Foxconn nicht unbedingt weit ent-
fernt von Chinas recht hohem Durchschnitt», schreibt
der ‹Guardian›.7
Doch der Vergleich mit dem nationalen Durch-
schnitt führt in die Irre. Selbstmord ist nicht gleich-
mäßig in der Bevölkerung verteilt. Es ist überaus
wichtig zu beachten, dass die Selbstmorde von jun-
gen Mitarbeitenden begangen wurden, die für ein
Unternehmen in der Großstadt arbeiteten. Die Kon-
zentration der Foxconn-Selbstmorde weist auf etwas
Neues hin, das im Kontext des Unternehmens, der
Industrie und der Gesellschaft nach einer Erklärung
verlangt. Die engen Zeitabläufe der Elektronikpro-
duktion und -lieferung sowie plötzliche Spitzen und
Rückgänge des globalen Konsums sind eine Heraus-
forderung für Fabrikarbeiter*innen auf der ganzen
Welt. Bei Foxconn zählt jede Sekunde für den Profit.
Ein Arbeiter erzählt: «Nimm eine Grundplatine vom
Fließband, scanne das Logo, packe sie in den antistati-
schen Beutel, klebe ein Etikett auf, und lege das Ganze
wieder aufs Fließband. Jeder dieser Arbeitsschritte
dauert zwei Sekunden. Alle zehn Sekunden schließe ich
fünf Arbeitsschritte ab.»
Elektronische Teile und Komponenten fließen vorbei,
und die Jugend der Arbeiter*innen wird unter dem
Rhythmus der Maschinen zermürbt.
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Die engen Zeitabläufe
der Elektronik -
produktion und
-lieferung sowie
plötzliche Spitzen
und Rückgänge des
globalen Konsums
sind eine Heraus-
forderung für Fabrik-
arbeiter*innen
auf der ganzen Welt.
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Title
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Subtitle
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Author
- Anja Höfner
- Editor
- Vivian Frick
- Publisher
- oekom verlag
- Location
- München
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 152
- Keywords
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Categories
- Informatik
- Technik