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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten
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Page - 73 - in WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten

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des Flugverkehrs durch virtuelle Meetings würde er- setzen können.1 Seither ist das Gegenteil dessen geschehen, was man mit vorsichtigem Optimismus erwartet hätte: Der weltweite Flugverkehr hat sich mehr als ver- doppelt. Genau genommen hat die Zahl der beför- derten Passagiere zwischen 1999 und 2017 um einen Faktor 2,55 zugenommen,2 was einer durchschnitt- lichen jährlichen Wachstumsrate von 5,3 Prozent entspricht. Auch wenn etwas mehr als die Hälfte des Zuwachses auf den Freizeitverkehr zurückgeht und die Geschäftsflüge aufgrund der globalen Finanz- krise 2008 und 2009 vorübergehend eingebrochen sind, haben diese insgesamt ebenfalls deutlich zu- genommen. Die Ausgaben für Geschäftsreisen stie- gen im globalen Durchschnitt allein im Jahr 2017 um 5,8 Prozent.3 Halten wir also fest: Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation haben nicht bewirkt, dass der Flugverkehr zurückgegangen wäre, er hat sogar massiv zugenommen. Man könnte einwenden, dass auch virtuelle Meetings Energie verbrauchen und damit Emissionen verursachen. Hierzu ein Beispiel: Ein Flug von Zürich nach New York und zurück verursacht rund 2,5 Tonnen Emissionen pro Passagier, ausgedrückt in CO2-Äqui- valenten. Die Emissionen durch virtuelle Meetings betragen für Full-HD-Videoconferencing via Inter- net heute 160 bis 290 Gramm CO2-Äqui valente pro Stunde – man könnte also rund 1000 Arbeitstage in perfekter Qualität virtuell konferieren, bis sich ein Flug nach New York stattdessen lohnen würde.4 Ob die Digitalisierung in Zukunft zu einem Rück- gang des Flugverkehrs führt, hängt vom Verhalten je- des*r Einzelnen ab. Die Industrie jedenfalls plant mit anderen Zahlen: Die Internationale Luftverkehrsver- einigung geht von einer erneuten Verdoppelung des globalen Flugverkehrs bis 2037 aus. Ironischerweise hilft die Digitalisierung bei diesem Wachstum durch die Perfektionierung des Wettbewerbs – das Internet war und ist ein Katalysator für den Preiskampf im Billigflugsektor.5 LEBENSDAUER VON GEBRAUCHSGÜTERN Die Arbeitsgruppe ‹Nachhaltige Informationsgesell- schaft› der Gesellschaft für Informatik knüpfte im Jahr 2004 große Hoffnungen an die Digitalisierung. Anstelle von ‹Digitalisierung› sprach man damals von der Ausbreitung von Informations- und Kom- munikationstechnologien (IKT, im Zitat ‹ICT›): «Der Einsatz von ICT kann die Lebensdauer von Produkten verlängern, zum Beispiel durch elektronische Tausch- börsen oder durch ein effizienteres Management von Re- paraturen. So ermöglicht ICT eine jahrzehnte lange Be- reitstellung von Ersatzteilen auch in kleinen Stückzahlen, indem (z. B. dank Inter- net) die technischen Daten der Ersatzteile und deren Fertigungsdaten verfügbar bleiben sowie eine globale Lagerhaltung organisiert werden kann. Über allge- mein zugängliche Datenbanken könnte jederzeit Infor- mation über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen oder die Möglichkeit einer Reparatur abgerufen werden.»6 Dies ist teilweise eingetreten – dennoch dominiert im Gesamttrend die Zunahme der Material- und Ener- gieflüsse durch kurzlebige Produkte. Die Dauerhaftig- keit von Gebrauchsgütern wird teilweise sogar durch Digitalisierung untergraben: Bei Produkten, die von Software gesteuert sind, bieten sich für den Hersteller vielfältige Möglichkeiten für Obsoleszenzstrategien, die auch genutzt werden (siehe auch den Beitrag von Gröger & Herterich). Die explizit geplante Obsoleszenz, die sich im Programmcode nachweisen ließe, ist aber nur ein Spezialfall. Wahrscheinlich trägt der generelle Mechanismus von Software-Updates, die immer neue Anforderungen an die Hardware stellen, mehr zur Entwertung von Material bei als die explizit geplan- te Obsoleszenz. Ich spreche deshalb allgemeiner von ‹Obsoleszenz durch Software›. Obsoleszenz durch Software scheint zunächst nur IKT-Geräte zu betreffen, kann aber auf alle von Soft- ware abhängigen Güter übergreifen. Vor diesem Hin- tergrund muss die Vision eines ‹Internet der Dinge› bedenklich stimmen, weil damit eine wachsende Zahl von Gebrauchsgütern faktisch zu Peripherie geräten eingebetteter Prozessoren wird. Schon heute kommt es vor, dass materialintensive Peripherie geräte wie Drucker, Scanner oder Monitore obsolet werden, weil die neue Betriebssystemversion sie ‹nicht mehr unter- stützt›. Nach der Vision des Internets der Dinge werden nun potenziell alle Alltagsgegen stände (also nicht nur IKT-Geräte) von Software-Updates abhängig. Damit besteht die Gefahr, dass das Prinzip der Entwertung von Material durch Software in immer mehr Lebens- bereiche übergreift. Was mache ich, wenn mein Herd, mein Toaster, meine Waschmaschine, mein Rollladen oder das Kinderspielzeug vom Softwareanbieter ‹nicht mehr unterstützt› wird? ///<quote> Die Dauerhaftigkeit von Gebrauchsgütern wird teilweise sogar durch Digitalisierung untergraben. ///</quote> ///073 1 0 0 1 0 0 1
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET Digitalisierung nachhaltig gestalten
Title
WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Subtitle
Digitalisierung nachhaltig gestalten
Author
Anja Höfner
Editor
Vivian Frick
Publisher
oekom verlag
Location
München
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC-SA 3.0
ISBN
978-3-96238-149-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
152
Keywords
Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
Categories
Informatik
Technik
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