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Möglichkeiten gibt, sich gegen die Untergrabung
seiner*ihrer Verfügungsgewalt über dieses Gut zu
schützen.
Ein denkbarer erster Ansatz hierfür wäre das in
den USA für Autos geltende und für Elektronikpro-
dukte derzeit geforderte ‹Right to Repair›.11 Ein Recht
auf Reparatur würde sich bei Produkten mit Soft-
wareanteil auch auf die Software beziehen müssen,
die folglich offengelegt werden müsste. Allein das
könnte bestimmte Formen von softwarebedingter
Obsoleszenz verhindern.
Unabhängig davon wird sich die Gesellschaft aber
zur einfachen Tatsache verhalten müssen, dass durch
Digitalisierung mit immer weniger Arbeit mehr Gü-
ter und Dienstleistungen hergestellt werden können,
also die Arbeitsproduktivität weiter zunimmt. In
naher Zukunft wird die derzeitige Welle der künstli-
chen Intelligenz (KI) den Arbeitsmarkt erfassen. Zwar
haben sich die Konzepte und Methoden der KI in den
vergangenen Jahrzehnten nur wenig verändert. Was
sie aber heute zumindest vordergründig erfolgreich
macht, ist die Verfügbarkeit billiger Hardwareleistung und zugleich riesiger Datenmengen aus dem Internet,
mit denen man Lernalgorithmen versorgen kann. Vie-
le Arbeitsplätze (auch im Dienstleistungssektor) wer-
den durch Automatisierung wegfallen, weil man – zu
Recht oder zu Unrecht – annehmen wird, KI-Systeme
würden die Tätigkeiten besser und billiger verrichten.
Eine nachhaltige Wirtschaftsweise wird aber nicht
realisierbar sein, solange wir die grundlegenden Me-
chanismen nicht infrage stellen, die uns zu Wachs-
tum zwingen.
Einer dieser Mechanismen ist darin zu finden, dass
der technische Fortschritt hauptsächlich für die Stei-
gerung der Arbeitsproduktivität (aber kaum für die
Steigerung der Ressourcenproduktivität) genutzt
wird. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden
wir die Prinzipien überdenken müssen, nach denen
unsere Gesellschaft heute Arbeit organisiert und Ein-
kommen verteilt. Ohne grundlegende Veränderungen
werden wir aus dem Teufelskreis von Produktivismus
und Konsumismus nicht ausbrechen können: Je mehr
die Arbeitsproduktivität steigt, desto mehr müssen
wir konsumieren, um ausreichend arbeiten zu können.
DER AUTOR
/// Prof. Dr. Lorenz M. Hilty ist Professor am Institut für Informatik an der Universität Zürich und leitet die gemeinsame Forschungsgruppe
‹Informatik und Nachhaltigkeit› der Universität Zürich und der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt)
in St. Gallen. Seine Schwerpunkte sind ökologische und gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung.
LITERATUR
/// 1 Arnfalk, P. The Role of ICT Based Communication from a Pollution Prevention Perspective. In: Environmental Communication in the
Information Society – Proceedings of the 16th Conference (International Society for Environmental Protection, 2002).
/// 2 World Bank. Air transport, passengers carried: Civil Aviation Statistics of the World and ICAO staff estimates.
https://data.worldbank.org/indicator/IS.AIR.PSGR (2019).
/// 3 IATA – International Air Transport Association. IATA Forecast Predicts 8.2 billion Air Travelers in 2037.
https://iata.org/pressroom/pr/Pages/2018-10-24-02.aspx (2018).
/// 4 Warland, L., et al. Factsheet: Dienstreisen.
https://sustainability.uzh.ch/dam/jcr:8949ac6f-f34e-4f73-97c5-483fa3130b70/2016-08-15_Factsheet_Dienstreisen.pdf (2016).
/// 5 Moreno-Izquierdo, L., et al. The Impact of the Internet on the Pricing Strategies of the European Low Cost Airlines. European Journal
of Operational Research 246, 651–660 (2015).
/// 6 Dompke, M., et al. Memorandum Nachhaltige Informationsgesellschaft. https://publica.fhg.de/eprints/N-20549.pdf
(Fraunhofer IRB Verlag, 2004).
/// 7 Hilty, L. M. Grundlagenforschung in der Informatik? Perspektiven der Informatik und ihre Erkenntnisziele. Vereinigung der Schweizerischen
Hochschuldozierenden 43, 3–10 (2017).
/// 8 Koomey, J., et al. Implications of Historical Trends in the Electrical Efficiency of Computing. IEEE Annals of the History of Computing 33,
46–54 (2011).
/// 9 Hilty, L. M., et al. Rebound Effects of Progress in Information Technology. Poiesis & Praxis: International Journal of Technology Assessment
and Ethics of Science 1, 19–38 (2006).
/// 10 Huisman, J., et al. Prospecting Secondary raw materials in the Urban mine and Mining wastes (ProSUM): Final Report (2017).
/// 11 Reichwein, A., & Sydow, J. Wege aus der Reparaturkrise? Das US-amerikanische ‹Right to Repair› (Germanwatch, 2018). ///075
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Title
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Subtitle
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Author
- Anja Höfner
- Editor
- Vivian Frick
- Publisher
- oekom verlag
- Location
- München
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 152
- Keywords
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Categories
- Informatik
- Technik