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tümer genauer an, fällt die immense Monopolisierung
auf. Die Diversität der nutzbaren und genutzten Web-
sites, Onlineservices und Smart phonebetriebssys-
teme schrumpfte von einer vormals sehr heterogenen
Landschaft zu einer überschaubaren Anzahl weniger,
sehr mächtiger, auch gesamtwirtschaftlich führender
Weltkonzerne zusammen.11
Zum Geschäftsmodell von Facebook oder Google
gehört der Handel mit dem Zugang zu und der Auf-
merksamkeit ihrer Besucher*innen. Je länger die
Nutzung, desto mehr Verhaltensdaten, mehr Klicks
auf Werbung und mehr
persönliche Informati-
onen können extrahiert
werden. Das aktuelle
‹Netz› ist längst kein
schlicht dargestelltes
Informations medium
mehr, vielmehr wurde
und wird mit der Ex-
pertise von Werbe- und
Informatikfachleuten
so optimiert, dass Be-
lohnungsmechanismen
und Wunsch nach sozialer Nähe und Bestätigung ge-
nutzt werden.12 Eine solche Gestaltung fördert kei-
nen selbstbestimmten, geschweige denn einen nach-
haltigen Konsum.
AM DIGITALEN FÜHRT KEIN WEG VORBEI
Aber können sich Menschen dem Verkaufstrubel in
der digitalen Welt nicht einfach entziehen? Aus zwei
Gründen gestaltet sich dies immer schwieriger:
Zum einen hält das Internet in immer mehr Lebens-
bereiche Einzug; Menschen verbringen mittler-
weile durchschnittlich über drei Stunden täglich ‹im
Netz›.13 Das Internet wird für gesellschaftliche Teil-
habe zunehmend unabdingbar, sei es bei der Arbeit,
der Kommunikation in kommerziellen sozialen und
professionellen Netzwerken oder konkret bei der Bu-
chung von Reisen oder bei Bankgeschäften.
Zum anderen verschmelzen digitale und analoge
Welten zusehends. Ist die Joggerin mit Internetradio
im Ohr ‹online› oder Teenager, die sich unter wegs via
Instant-Messenger verabreden? Sind Angestellte, die
kollaborativ Dokumente bearbeiten, oder Journalist*in-
nen, die E-Mail-Interviews führen, gerade ‹im Netz›?
Rein ‹digitale› oder ‹analoge› Orte werden zusehends
seltener, vielmehr durchdringen und formen digi-
tale Artefakte unsere Welt. Gerade aufgrund dieser unentrinnbaren Wirkmächtigkeit ist es essenziell, sich
mit den Dynamiken, Logiken und Mechanismen dieser
digitalen und – wie oben argumentiert – kommerziellen
Einflüsse zu beschäftigen und sie zu verändern, wo sie
einer nachhaltigen Gesellschaft zuwiderlaufen.
DIGITALE RÄUME FÜR MÜNDIGE BÜRGER*INNEN
UND NACHHALTIGE LEBENSSTILE
Sollen digitale Räume einer sozial-ökologischen Ge-
sellschaft zumindest nicht im Wege stehen, so kom-
men wir um eine gemeinwohlorientierte Gestaltung
dieser Systeme nicht herum. Das gilt insbesondere
bei den digitalen Anwendungen, die unabdingbar für
die Gesellschaft geworden sind. Inhärente Entschei-
dungsarchitekturen digitaler Räume müssen trans-
parent gemacht und diskutiert und deren Besitz und
Gestaltungsmacht gesellschaftlich und politisch neu
ausgehandelt werden.
Viele Alternativansätze sind bereits seit Jahrzehnten
in der Techie-Szene zu finden (siehe dazu auch den
Beitrag von Vetter & Guenot), oftmals jedoch ohne
externe Unterstützung und in Konkurrenz zu glo-
balen Konzernen. Diese Projekte gilt es zu fördern,
neben den bereits erwähnten sozial-ökologischen
Nischenangeboten auch gemeinschaftliche Wissens-
sammlungen und Softwareprojekte mit Freien Lizen-
zen – wie etwa Wikipedia, die WaybackMachine oder
auch das GNU/Linux-Projekt. So kann aus einem
konkurrierend- kommerziellen
ein kooperatives Modell der
Softwarewelt werden. Auch de-
zentrale Softwarearchitekturen
und freie Standards, wie etwa
beim Nextcloud-Projekt, können
sinnvoll Monopol bildung und
Fremdbestimmung entgegen-
wirken, auch wenn dafür tech-
nisch noch so einiges zu erfor-
schen ist. Eine obligatorische
Ende-zu-Ende-Verschlüsse lung
mit Metadatenvermeidung, wie beispielsweise beim
Signal-Messenger, dem XMPP-Protokoll oder dem
GNUsocial-Projekt, wehrt nicht nur Geheimdienste
und neugierige Provider ab, sondern auch Platt formen,
die Datenschutz bisher nicht ernsthaft umsetzen.
Zudem müssen dem im Netz aktuell allgegenwär-
tigen Tracking und der zentralisierten Anhäufung
personenbezogener Daten gesetzliche Schranken
auferlegt werden sowie Geschäftsmodelle ohne
werbeunterstützende Komplettprotokollierung des
///<quote>
Sollen digitale
Räume einer sozial-
ökologischen Gesell-
schaft zumindest nicht
im Wege stehen, so
kommen wir um eine
gemeinwohlorientierte
Gestaltung dieser
Systeme nicht herum.
///</quote>
///<quote>
In öffentlichen Räumen
wird schon länger
dafür gekämpft, die
Kommerzialisierung
einzudämmen. Sollten
solche Forderungen
nicht auch für
digitale Räume gelten?
///</quote> ///089
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Title
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Subtitle
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Author
- Anja Höfner
- Editor
- Vivian Frick
- Publisher
- oekom verlag
- Location
- München
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 152
- Keywords
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Categories
- Informatik
- Technik