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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten
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angemessen, so viele Ressourcen zu nutzen, um ein minimal schnelleres Gerät zu besitzen oder dass Ar- beitende in einer Telefonfabrik für einen Hungerlohn schuften, damit sich andere Menschen per Chat über Fußball unterhalten können? Oder dass wir dafür alle Millionen persönlicher Daten preisgeben? Die Dimensionen konvivialer Technik bieten einen ethischen Kompass aus einer Postwachstumsperspek- tive, um eine strukturierte technikethische Debatte zu führen. Es wird keine einzelne Technik geben, von der gesagt werden kann, sie erfüllt alle Dimensionen zufriedenstellend und ist 100 Prozent konvivial. Doch wenn wir Konvivialität als Maßstab nehmen, werden in einer Diskussion andere Fragen gestellt, als wenn nur der ökologische Fußabdruck bewertet wird oder ausschließlich die Wirtschaftlichkeit eines Gerätes. KONVIVIALE SOFTWARE VOR UND JENSEITS DES DIGITALEN KAPITALISMUS Derzeit weist bei der Herstellung elektronischer Geräte nichts in Richtung Konvivialität. Im Gegen- satz zur Hardware hat aber die Software durchaus konviviale Aspekte. Diese Geschichte kann auf das um 1970 entwickelte UNIX-Betriebssystem­ zurückgeführt­ werden.­ Dieses­ neue­ System­ war­ viel­ einfacher­ als­ bereits­ existieren- de­ Systeme,­ ermöglichte­ mehreren­ Benutzer*innen,­ eine einzige Maschine zu teilen, und förderte seine eigene Entwicklung innerhalb einer größeren Com- munity.­ In­ den­ folgenden­ Jahrzehnten­ vergrößerte­ die­ Verbreitung­ von­ PCs­ diese­ Community,­ in­ der­ viele­ Benutzer*innen gleichzeitig Programmierer*innen waren. Ab 1983 wurde mit dem GNU-Projekt und ­ später­ der­ General­ Public­ Licence­ Freie­ Software6 ( siehe hierzu auch den Beitrag von Nähle) geboren. Die Hackergemeinschaft nahm durch die Bestrebung nach zugänglichem Quellcode und selbstbestimm- ter­ Systemverwaltung­ eine­ ­ politische­ Wende­ hin­ zu­ kollaborativer Arbeit und Autonomie. Diese Bewegung und ihre reiche Sub kultur erreichten ihren Höhepunkt in den 1990ern nach der Voll endung des GNU-Projekts mit­ dem­ ­ Linux­ ­ Kernel­ –­ also­ der­ Entstehung­ dessen,­ was­ heute­ ­ Linux-Betriebssysteme­ sind. Das Internet eröffnete auch Menschen außerhalb von Forschungsinstituten die Möglichkeit zur Teil- habe bei der Entwicklung neuer digitaler Technolo- gien. Es basiert selbst auf einem dezentralen, nicht hierarchischen Modell. Neue Technologien wurden organisch entwickelt und verbreiteten sich durch die Definition­ von­ Standards,­ die­ Kooperation­ fördern. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts hatten nur die ökonomisch Privilegierten Zugang zu Compu- tern. Doch innerhalb dieser Blase, gefördert von der Hacker-Community,­ erstarkten­ Werte­ wie­ Kosten- losigkeit, Autonomie und Zusammenarbeit. Mit der großflächigen Integration von PCs in die Wirtschaft übernahmen zur Jahrhundertwende Konzerne und Risikokapitalgebende die digitale Ökonomie und führten sie sowohl zum Höhepunkt als auch zum Ab- sturz in der Dotcom-Blase. Digitaler Kapitalismus, wie wir ihn heute am Beispiel von Google kennen, wurde in dieser Krise geboren. Dieser löste das Pro- blem, indem das Geschäftsmodell geändert wurde: Statt mit Software Geld zu verdienen, integrierte er manche Free-Software-Werte (wie offenen Quellcode) und fokus- siert sich auf die essenzielle, von Software produzierter Ressource: Daten. Diese Verschiebung von Soft- ware hin zu Daten und daten- manipulierenden Algo rithmen widerspricht den Bestrebungen der Freien-Software- Bewegung. Es schafft Ausbeutungsmechanis- men, welche die konvivialen Elemente der Hackerkultur ­ zerstören.­ Die­ Hackercommunity­ ist­ noch­ stark,­ ob- wohl sie ihre Hege monie der 90er-Jahre verloren hat.­ ­ Logischerweise­ führt­ sie­ heute­ den­ Kampf­ gegen­ die imperiale Nutzung unserer Daten an. Der Weg zu konvivialer Software in einer digitalen Gesellschaft ist noch nicht klar um rissen, er beinhaltet aber die Dezentralisierung von Online diensten, allen die Mög- lichkeit zur Kontrolle der eigenen Software nutzung zu geben und einige Daten ungenutzt zu lassen. DIGITALE TECHNIK FREI UND KONVIVIAL WEITERDENKEN Wie könnten also konviviale digitale Technologien für eine Postwachstumsgesellschaft aussehen, die aus der Geschichte der Freien Software lernen könnten? In Bezug auf die Dimensionen Zugänglichkeit und Anpassungsfähigkeit ist deutlich, dass Digitaltech- nologien nur in Richtung Konvivialität tendieren können, wenn sie quelloffen und frei sind – wenn Menschen also Software als Werkzeug für eigene Zwecke nutzen können, anstatt von Software be- nutzt zu werden, um Daten zu produzieren. Dafür spielt der Rahmen, in dem die Entwicklung und der Einsatz von Software stattfinden, eine wichtige ///<quote> Die Hacker- Community ist noch stark, obwohl sie ihre Hegemonie der 90er Jahre verloren hat. ///</quote> ///103 1 1 0 0 1 1 1
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET Digitalisierung nachhaltig gestalten
Title
WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Subtitle
Digitalisierung nachhaltig gestalten
Author
Anja Höfner
Editor
Vivian Frick
Publisher
oekom verlag
Location
München
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC-SA 3.0
ISBN
978-3-96238-149-3
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
152
Keywords
Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
Categories
Informatik
Technik
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