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Bühne und Kostüme
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2928 mir passiert es immer wieder, dass ich gefragt werde, ob ich von meinem beruf gut leben könne. und immer wieder muss ich zu meiner eigenen verwunderung antworten: Ja, es geht sehr gut. Allerdings ist dieses Leben kein einfaches. Geprägt von widersprüchen wie: Selbstdisziplin und Disziplin- losigkeit, Fleiß und müßiggang, intensiven Probenzeiten und Freiphasen, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und gleichzeitig sich in einem ensemble einzubinden, egoismus und Offenheit, Eitelkeit und Demut, Versagensangst und Vertrauen in die Kolleg*innen und die eigenen Fähigkeiten, ist es oft nicht einfach, die Balance zu finden und zu halten. Wahrscheinlich sind es diese widersprüchlichkeiten, die diesen beruf so interessant und rätselhaft machen. Schauspieler*innen brauchen raum für ihr ego und die bühne scheint der beste ort dafür zu sein. wenn wir ins Theater gehen, bewundern wir oft den mut und die Leistung der Spieler*innen. ich höre dann oft Sätze wie: „Dass Sie sich den ganzen Text mer- ken können“ oder „ich könnte das nicht“. Das Textlernen gehört zum Alltag und ist eine lästige Arbeit und ich bin immer öfter ge- neigt zu antworten: „berufsgeheimnis!“. was ich natürlich nicht tue. Jeder Schauspieler macht das anders: sich den Text aufs band sprechen und damit durch den Park gehen, am Schreib- tisch sitzen und stupide lernen oder aber gar nicht, sondern mit der Souffleuse auf der Probe, um nur drei Beispiele zu nennen. bei mir persönlich kommt es ganz auf den Text an, wie ich ihn lerne. Da gibt es für mich keine methode. Schauspieler*innen sind keine revolutionäre noch nie haben Schauspieler*innen durch ihre Profession eine politische bewegung ausgelöst oder befördert. wir erklären uns solidarisch mit politisch korrekten bewegungen wie Fridays for Future, LGbT, ehe für alle etc. und gleichzeitig gibt es seitens der darstellenden Kunst keine initiative etwas gesellschaftlich zu verändern. Das geht nur gemeinsam mit anderen. Schauspieler*innen sind Solist*innen, einzelkämpfer*innen. Sie müssen im zentrum erscheinen, damit ihre Kunst wirkt. Sich in einem ensemble ständig beweisen zu müssen, sich neu zu po- sitionieren oder seine Stellung zu verfestigen, setzt hohes Refle- xionsbewusstsein voraus, was aber wieder zu Folge hat, dass man sich selbst oft wichtiger nimmt als den inhalt, worum es doch eigentlich gehen soll. oft beobachtet und auch selbst schon er- lebt. „bin ich gut?“, „werde ich wahrgenommen?“, „wieso hat der Kollege eine Szene mehr als ich?“, „wieso spielt der diese rolle und nicht ich?“— und auch ein Klassiker: „Also, ich würde das ja ganz anders spielen.“ All diese äußerungen resultieren aus ei- nem übersteigerten, (vielleicht gestörten) Selbstwahrnehmungs- prozess. man kann das verurteilen, aber man sollte nie vergessen, dass Schauspieler*innen Solist*innen sind, die erst in der Gruppe (im ensemble) zur entfal- tung ihrer Kunst kom- men. Sie setzen sich nicht nur mit sich selbst auseinander, sondern vor allem auch mit dem Gegenüber (Kolleg*in, Publikum, regis- seur*in) und im besten Fall geschieht das auf produktive Art und weise. Aber egal aus welchen Gründen das passiert: es entsteht in die- sem Prozess immer eine reibung zwischen der Darstellung, dem Dargestellten und der oder dem Darstellenden — ein Konflikt, der für das moderne Theater eminent wichtig ist, weil dadurch Span- nung erzeugt wird, der man eher geneigt ist zuzuschauen als har- monischem miteinander. was unterscheidet Schauspieler*innen von nicht-Schauspie- ler*innen?; und: Sind wir nicht alle irgendwie Schauspieler*in- nen? wir bewegen uns im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Familie oder unter Freund*innen und bekannten und wir nehmen immer ande- re rollen an. Schauspieler*innen im Theater tun das alles auch, gleichzeitig arbeiten sie auch damit in ihrer Darstellung. Sie ler- nen Texte, die nicht ihrem Geist entspringen und machen sie zu (...) Schauspieler*innen sind keine revolutionäre noch nie haben Schauspieler*innen durch ihre Pro- fession eine politische bewegung ausgelöst oder befördert. wie ist das so, als Schauspieler?
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Bühne und Kostüme
Title
Bühne und Kostüme
Editor
Petra Simon
Elemer Ploder
Martina Thaller
Publisher
Verlag der Technischen Universität Graz
Location
Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-85125-763-2
Size
24.0 x 24.0 cm
Pages
124
Category
Kunst und Kultur
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