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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Der Begriff des » Herstellens « impliziert, dass ein » gebrauchsferti-
ges « Schadprogramm außenweltwirksam ursprünglich bzw zu einem
schon existenten solchen Programm zusätzlich durch dessen Repro-
duktion neu entsteht ( Erfolgsdelikt ).1627 Im Zuge des ggf mehraktigen
Programmiervorgangs eines solchen Programms bewegt sich der Tä-
ter bereits im Versuchsstadium ( § 15 ). In diesem Zusammenhang kann
von einem sehr unterschiedlich langen Versuchszeitraum ( zB bei ei-
nem Programmierer als Einzeltäter mehrere Monate bzw Jahre 1628 bzw
bei einem Täter, der schlicht ein existentes Schadprogramm via » Copy
and Paste « herstellt, wenige Sekunden ) ausgegangen werden. Mit Vor-
liegen des lauffähigen Schadprogramms ist die Malware tatbestands-
gemäß hergestellt und § 126 c Abs 1 verwirklicht. Dies ist auch dann der
Fall, wenn ein unmittelbar ausfĂĽhrbarer Code des Schadprogramms
bereits existiert, aber noch weitere Programmiertätigkeiten zB zur Op-
timierung geplant sind.1629
Was man unter der Tathandlung des » Herstellens « iZm Computer-
passwörtern, Zugangscodes oder vergleichbaren Daten nun verstehen
mag, ist unklar. In erster Linie könnte an » Brute Force «-Angriffe ge-
dacht werden, bei denen der Täter Passwörter bzw Zugangsdaten durch
bloĂźes Aus- bzw Durchprobieren von Zeichenfolgen durch Permuta-
tion aller möglicher Zeichenkombinationen eines vordefinierten Zei-
chensatzes eruiert.1630 Weiters ist auch an sog » Wörterbuch-Angriffe «
( Dictionary Attacks ) zu denken, bei denen auf Sammlungen von poten-
tiellen und häufig verwendeten Passwörtern bzw bei Passwort-Hash-
Werten auf sog » Regenbogentabellen « zurückgegriffen wird, um das
Passwort zu ermitteln.1631 Dies ist auch in Zusammenschau des § 126 c
Abs 1 Z 2 mit einem vom Täter angestrebten widerrechtlichen Zugriff
1627 Siehe zB auch Hinterhofer in SbgK § 207 a Rz 12.
1628 Je nach Umfang und Programmierfähigkeiten des Täters.
1629 Vgl » fortgesetztes Delikt «, wobei in jüngerer Rsp diese Rechtsfigur zugunsten
der deliktsspezifisch angelegten tatbestandlichen Handlungseinheit aufgegeben
wurde ( siehe OGH 22. 11. 2005, 14 Os 116 / 05y = JSt 2006 / 19, 52 ( Huber ) = JSt 2006 / 23,
93 ( Huber ) = AnwBl 2006 / 8056, 478 ( Hollaender ).
1630 Bei der Verwendung des entsprechenden umfangreichen Zeichensatzes muss das
Passwort – mathematisch bedingt – ermittelt werden, doch ist die Zeitdauer eines
solchen Angriffs zurzeit bei Verwendung eines umfangreichen Zeichensatzes un-
verhältnismäßig lang.
1631 Zwar wird dadurch die Geschwindigkeit der Passwortermittlung erhöht, jedoch
ist die Trefferquote entsprechend gering.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik