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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Herrschaft aufrecht zu erhalten. Diese beiden – objektiven und subjekti-
ven – Komponenten sind nach den Anschauungen des täglichen Lebens
zu interpretieren. Unter Beachtung dieses Auslegungskriteriums wird in
der Rsp nicht so sehr die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit des Ge-
wahrsamsträgers, sondern die soziale Zuordnung von Person und Sache
in den Vordergrund gestellt. Demnach ist der Gewahrsam jene Zugehörig-
keit einer Sache zu einer Person, die auch ein AuĂźenstehender nicht nur
als eine räumliche Beziehung, sondern als eine auf sozialen Gepflogen-
heiten beruhende Verbindung von Sache und Person zu erkennen vermag.
Dieses Verhältnis erfordert keine greifbare Nähe zur Sache.1851 Nur mit
diesem äußerst weitgehaltenen » geistigen Vorbehalt « 1852, lässt sich eine
Strafbarkeit nach § 127 überhaupt realisieren. Diese Auslegung wird je-
doch indirekt auch in einem ME 1853 durch eine angedachte eindeutige und
klarstellende Einordnung einer unbefugten Geldbehebung an einem Ban-
komat unter § 148 a kritisiert, welche darüber hinaus auf die » Hintanhal-
tung einer Aufweichung des Gewahrsamsbegriffs des § 127 « abzielen sollte.
» Bestohlener « iSd Diebstahls ist dabei nicht der ( Konto- ) Inhaber,
sondern der Betreiber des Geldausgabeautomaten 1854 ( hier: die fĂĽr den
konkreten Geldausgabeautomaten verantwortliche Bank ).
Tatobjekt einer solchen Wegnahme ist Bargeld, also eine fremde be-
wegliche » körperliche « 1855 ( und daher diebstahlsfähige ) Sache, die sich
der Täter unter Bruch der tatsächlichen Sachherrschaft zueignet. An-
ders ist es allerdings bei einem missbräuchlichen Transfer von unkör-
perlichem ( und daher nicht diebstahlsfähigem ) Giralgeld, obgleich die
kriminelle ( objektive und subjektive ) Vorgehensweise, die technischen
Umstände der Tat und die Vermögensschädigung in diesen Sachver-
halten sehr vergleichbar sind und unter rein rechtspolitischen Aspek-
ten eine Beurteilung nach unterschiedlichen Delikten nicht wirklich
sachgerecht erscheint.
1851 Siehe dazu OGH 10. 12. 1996, 14 Os 71 / 96 ( 14 Os 78 / 96 ) mwN; auch OGH 28. 09. 2010,
14 Os 126 / 10a bzw RIS-Justiz RS0099100 mwN.
1852 Siehe auch jüngst die Zusammenfassung und die Kritik am » mentalen Vorbehalt «
von Komenda / Madl in SbgK § 148 a Rz 90 f.
1853 Siehe 78 / ME XXII. GP, 11, wobei angemerkt sein muss, dass die vorgeschlagene
Ergänzung des § 148 a in der anschließenden RV 309 BlgNR XXII. GP nicht mehr
weiter verfolgt wurde.
1854 Siehe zB OGH 30. 08. 2012, 13 Os 80 / 12 g = Ă–JZ EvBl 2013 / 7, 42 ( Ratz ) = JAP 2014 / 2015 / 1,
4 ( Prunner ); OGH 10. 12. 1996, 14 Os 71 / 96 ( 14 Os 78 / 96 ); OGH 11. 03. 1993, 15 Os 156 / 92.
1855 Im Sinne des § 292 iVm § 285 ABGB.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik