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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
b. Die umstrittene Täuschungsbestimmung des § 108
Wie bereits ausgeführt, spricht sich – entgegen vieler Lehrmeinun-
gen – der OGH für eine weite Auslegung der tatbildlichen » Rechte « aus,
wobei er grundsätzlich jedes konkrete ( Individual- ) Recht als darunter
subsumierbar erachtet.1993 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit
dieser Strafbestimmung hat der Gerichtshof nicht.1994 DarĂĽber hinaus
ist dem Verbot, Rechtsvorschriften von vornherein ihren normativen
Gehalt abzusprechen und dem Gesetzgeber zu unterstellen, ĂĽberflĂĽs-
sige oder inhaltslose Normen zu schaffen, folgend, die Suche eines
konkreten Anwendungsbereichs indiziert, welche mE im hier interes-
sierenden Zusammenhang in § 1 Abs 1 DSG 2000 einen Erfolg verbu-
chen kann.1995
§ 108 Abs 1, dessen hauptsächlicher Zweck dem Schutz der Autono-
mie der Person und der Willensbildungsfreiheit 1996 dient, was ua aus
der systematischen Einordnung dieser Bestimmung unter die Frei-
heitsdelikte hervorgeht, stellt – wie oben bereits ausgeführt – im We-
sentlichen auf eine » Täuschungshandlung « zur Beeinträchtigung eines
Individualrechts ab. Der historische Gesetzgeber wollte wohl mit dem
Tatbild der Täuschung anstelle der Beeinträchtigung des Vermögens,
die Schädigung an einem anderen Recht durch eine Täuschungshand-
lung erfasst wissen.1997 Nicht zuletzt deshalb, weil in den Erl absichtli-
ches Handeln ( iSd § 5 Abs 2 ) für die Deliktsverwirklichung gefordert
wird und ausdrücklich 1998 für verbleibende Fälle, die von speziellen Tat-
bildern typischer täuschungsbedingter Beeinträchtigungen wichtiger
Rechtsgüter nicht erfasst werden, auf den Tatbestand der Täuschung
verwiesen wird. Die täuschungsbedingte Beeinträchtigung der Wil-
lensbildungsfreiheit allein reicht aber fĂĽr eine diesbezĂĽgliche Strafbar-
keit noch nicht aus. Vielmehr muss aus ihr ein Schaden in jemandes
Recht resultieren, weshalb das tatbestandliche Unrecht, neben dem
1993 Vgl OGH 22. 05. 1986, 12 Os 136 / 85.
1994 Siehe OGH 26. 06. 1986, 12 Os 69 / 86.
1995 Vgl in weiterer Folge auch Bergauer in BMJ, 35. Ottensteiner Fortbildungsseminar,
27 ( 32 f ).
1996 Konkret ist in den ErlRV ( 1971 ) 30 BlgNR XIII. GP, 239 von der » Freiheit der Wil-
lensentscheidung « die Rede; vgl auch Schmoller in BMJ, Strafrechtliche Probleme
der Gegenwart 1989, ( 1 ) 42.
1997 Vgl ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 239.
1998 Vgl ErlRV 30 BlgNR XIII. GP, 239.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik