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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
einer körperlichen Sache begründet.2340 In diesem Fall wird nicht ein-
mal ein im Gewahrsam des Täters befindlicher Datenträger verwendet.
Gerade durch einen solchen Fall lassen sich die gegenständlich unter-
suchten Probleme gut darstellen, denn der Täter würde beim Herun-
terladen von inkriminierten Bildern aus dem Internet auf einen On-
line-Speicher gar nicht tatbestandlich iSd Sich-Verschaffens handeln,
da er dabei keinen Gewahrsam an körperlichen inkriminierten Sachen
erlangt. Aber selbst die Besitzstrafbarkeit wäre in diesem Fall in Bezug
auf den unmittelbaren Täter fraglich, weil dieser keinen » Gewahrsam «
am körperlichen Gegenstand hat, der diese unkörperlichen Bilder ver-
körpert. Hinsichtlich einer etwaigen Besitzstrafbarkeit könnte man
auf die Rechtsfigur des » gelockerten Gewahrsams « 2341 iSd » sozialen Ge-
wahrsamsbegriffs « 2342 zurückgreifen. Beim » gelockerten Gewahrsam «
» behält den Gewahrsam auch, wer die Sachherrschaft zwar durch einen
Dritten, aber entsprechend seinen Weisungen und unter seiner zumin-
dest potentiell gegebenen Aufsicht ausüben lässt «.2343 Man müsste da-
bei aber einräumen, dass der faktische Gewahrsamsdiener bzw -mittler,
der in solchen Fällen bloß Mitgewahrsam begründet, nicht » in Gegen-
wart « des Obergewahrsamsträgers agiert, weshalb man gerade nicht –
was jedoch zumindest diese eben zitierte E indiziert – von » kurzfristen
Überlassungen zum unmittelbaren Gebrauch « sprechen kann.
Der » soziale Gewahrsamsbegriff « erfordert nun keine greifbare ( dh
räumliche ) Nähe zur Sache. Vielmehr reicht eine soziale Zuordnung ei-
nes Gegenstands zu einer Person aus.2344 Die Sache wird daher auch
bei fehlender körperlicher Anwesenheit des Gewahrsamsträgers die-
sem kraft sozialer Zuschreibungsmomente zugeordnet. Als ein wesent-
liches Kriterium spielt dabei die Überwachungsmöglichkeit durch den
übergeordneten Gewahrsamsträger eine Rolle.2345 Dieses Kriterium ist
nach dem OGH eng zu fassen und darf sich für den unmittelbaren Sa-
chinhaber nicht bloß als » abstrakt-theoretische « Variante darstellen.
2340 Ähnlich bei Dateien im E-Mail-Postfach auf einem ( fremden ) Server im Internet.
2341 Siehe zur Begrifflichkeit ua etwa Kienapfel / Schmoller, StudB BT II § 127 Rz 67; Leu-
kauf / Steininger, StGB 3 § 127 Rz 21; Bertel in WK 2 § 127 Rz 15; Salimi in SbgK § 127
Rz 84; Schwaighofer, JSt 2012, 66; Birklbauer / Hilf / Tipold, Strafrecht BT I 2 § 127 Rz 20 f.
2342 Siehe dazu Kienapfel / Schmoller, StudB BT II § 127 Rz 64 ff.
2343 Vgl OGH 03. 06. 2003, 14 Os 51 / 03; vgl weiters RIS-Justiz RS0093841 mwN.
2344 Siehe OGH 13. 11. 2007, 14 Os 123 / 07 f; weiters Kienapfel / Schmoller, StudB BT II § 127
Rz 64 ff.
2345 Vgl Kienapfel / Schmoller, StudB BT II § 127 Rz 90; Siehe auch OGH 03. 06. 2003, 14 Os
51 / 03.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik