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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Würde man auch in diesen Fällen eine Besitzstrafbarkeit ablehnen,
entstünden Strafbarkeitslücken, wenn der Täter die inkriminierten
Darstellungen auf Online-Speichermedien fremder Server aufbewah-
ren würde, aber umfassende Verfügungsbefugnis – iSd » Quasi-Gewahr-
sams « – darüber hätte. In diesem Fall wäre trotz » besitzähnlicher « Kon-
stellation und Indikation des § 207 a Abs 3 dennoch » nur « § 207 a Abs 3 a,
wo dem Täter aber Wissentlichkeit nachgewiesen werden muss, an-
wendbar. In Zukunft wird sich die Informationstechnologie wohl noch
weiter von einer physischen Zuordenbarkeit von Informationen zu ei-
nem konkreten Datenträger entfernen. Bei modernen Modellen der in-
formationstechnischen Datenorganisation, die durch die Weiterent-
wicklung der technischen Grundpfeiler FlĂĽchtigkeit, Virtualisierung,
Automatisierung und Ubiquität gekennzeichnet sind ( zB Cloud Compu-
ting ), wird dann in einem solchen strafrechtlichen Zusammenhang le-
diglich die Frage nach dem » Access « ( Zugang ) – iSd oben ausgeführten
» Quasi-Gewahrsams « – adäquate Ergebnisse hervorbringen können.
Mit anderen Worten, die Information erfüllt unabhängig vom Trä-
ger ihren Zweck, welcher grundsätzlich auch durch Reproduktion und
Transmission in seiner abstrakten Erscheinungsform nicht verändert
wird.
d. Aufgedrängter Besitz
Gelangt jemand ungewollt – zB durch Zustellung einer inkriminierten
Darstellung per E-Mail, MMS oder durch Überlassen einer DVD – in
den Besitz von pornographischen Darstellungen Minderjähriger, so ist
er, um straflos zu bleiben, verpflichtet, diesen ( faktischen ) Besitz um-
gehend 2386 aufzugeben.2387 Eines ROM 2388-Datenträgers kann man sich
durch dessen Zerstörung oder Entsorgung entledigen, ein E-Mail bzw
andere Dateien, die solche Inhalte haben, lassen sich programmtech-
nisch löschen. Dabei ist aber nicht ausnahmslos eine physische ( iSv
dauerhafte ) Löschung notwendig.2389 Eine solche ist lediglich dann an-
2386 Nach Ablauf einer Ăśberlegungsfrist ( vgl Hochmayr, Besitz, 101 ff ).
2387 Siehe Hochmayr, Besitz, 100, die Besitzdelikte als echte Unterlassungsdelikte be-
greift; weiters Hochmayr in BMJ, 33. Ottensteiner Fortbildungsseminar, 87 ( 96 ff );
auch zB Bertel / Schwaighofer, BT II 11 § 207 a Rz 10; vgl dazu weiters OGH 13. 10. 1998,
14 Os 129 / 98 = JBl 2000, 554 ( Medigovic ).
2388 » Read-Only-Memory «.
2389 AA Hinterhofer in SbgK § 207 a Abs 3 Rz 60 mwN.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik