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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
terlassen ( hier: Verweigerung des Löschens oder Sperren des Inserats )
durch die » sukzessive Öffentlichkeit « und den Multiplikationseffekt
der Verbreitung und Zugänglichkeit auf das Rechtsgut aus. Die Stal-
king-Bestimmung des § 107 a ist insgesamt betrachtet ein Paradebei-
spiel fĂĽr ein Delikt mit pauschalierender Handlungsbeschreibung ( arg
» beharrlich verfolgt « ), für dessen Verwirklichung ein Komplex mehre-
rer Einzelhandlungen implizite Voraussetzung ist.2716 Auch das einheit-
liche Vorgehen des Täters im Inserat-Beispiel ist idS als » tatbestandli-
che Handlungseinheit « 2717 zu betrachten ( das einmalige Tun und die
anschließenden ständigen Unterlassungen bilden gemeinsam » ein
Tun « ), weshalb die Tathandlung des § 107 a Abs 2 Z 4 insgesamt nur
einmal verwirklicht wird. Solange allerdings der rechtswidrige Zustand
durch Tun oder anschließendes Unterlassen des Täters aufrechterhal-
ten wird, ist von einer » fortgesetzten « Begehung ( iS eines Dauerdelikts )
auszugehen. Reicht nun auch noch die Intensität dieser Handlung aus,
um die konkrete gestalkte Person in ihrer LebensfĂĽhrung unzumutbar
zu beeinträchtigen ( vgl § 107 a Abs 2 ), kann die Schaltung eines einzel-
nen Inserats über Internetdienste – Vorsatz und hinreichende Einwir-
kungsmöglichkeit des Täters auf das Inserat vorausgesetzt – den Tat-
bestand des § 107 a Abs 1 vollständig verwirklichen. Es kann daher im
spezifischen Zusammenhang des § 107 a der Fall eintreten, dass zwar
das einmalige aktive Tun iSd § 107 a Abs 2 Z 4 durch das Schalten des
Inserats noch nicht tatbestandlich iS einer beharrlichen Verfolgung
ist, weil noch keine nahe Gefahr fĂĽr das Rechtsgut vorliegt. Wohl aber
kann das anschließende Unterlassen einer Löschung der Anzeige, das
die Veröffentlichung derselben über einen langen Zeitraum und für
viele Personen weiter aufrecht hält, das Gesamtgeschehen sukzessive
zu einem rechtlich missbilligten Risiko bzw tatbestandlichen Unrecht
gem § 107 a Abs 1 werden lassen.
ZugegebenermaĂźen tritt bei dieser Auffassung wohl ein gravieren-
des deliktsspezifisches Problem auf. Die einzelnen Begehungsweisen
des § 107 a Abs 2 Z 1 bis 4 sind nicht notwendigerweise Handlungen,
die per se sozial inadäquat und rechtswidrig sind. Wenn also durch die
einmalige Schaltung eines Internet-Inserats eine Handlung iSd § 107 a
Abs 2 Z 4 gesetzt wird, bedeutet die HerbeifĂĽhrung eines solchen Zu-
standes ( noch ) nicht, dass dieser auch rechtswidrig iSd § 107 a Abs 1
2716 Siehe Kienapfel / Höpfel / Kert, AT 14, E 8 Rz 61.
2717 Vgl dazu generell etwa Fuchs, AT I 8, Rz 37 / 15.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Title
- Das materielle Computerstrafrecht
- Author
- Christian Bergauer
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 700
- Keywords
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Categories
- Informatik
- Recht und Politik