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Ebenen mitverursacht und mitverantwortet werden – und deswegen auf
der Mikroebene der Alltagspflege nicht zufriedenstellend und nachhaltig
gelöst werden können, ohne von den Mitarbeiter*innen herkulische Mehr-
leistungen einzufordern und Überlastungen vorzuprogrammieren.
Das Diskussionspapier der AEM würdigt explizit die geleistete Arbeit
der Pflegenden in allen Gesundheitseinrichtungen und greift in den Vor-
bemerkungen einige Kernpositionen aus der Berufsethik der Pflege auf:
Gesunderhaltung und körperliche Unversehrtheit sind zentrale Pflege-
ziele16 wie auch der Schutz und die Förderung der Autonomie des
Menschen, der niemals nur Objekt der (Für-) Sorge sein darf, sondern
immer Subjekt der ihn betreffenden Maßnahmen bleiben muss.17 Die
Ermöglichung sozialer Teilhabe und von sozialen Nahbeziehungen18
wie auch die Bedeutung von Nähe und von Berührungen19 für den
Menschen gehören zum Verantwortungs- und Kompetenzbereich der
Pflege und sind zugleich zentrale Indikatoren von Pflegequalität.20
Die Erfahrungen und die Güter- und Wertkonflikte in der Pandemie stell-
ten für viele Pflegende eine Bürde dar, weil der Schutz gegen Güter und
Werte verstieß, die in einem ganzheitlich geprägten Pflegeprozess grundle-
gend sind: „Pflegende arbeiten ‚am Leib ebenso wie mit dem Leib‘ und
wissen deshalb um die scheinbar nur alltäglichen, aber zugleich doch le-
benswichtigen Bedürfnisse des Menschen.“21 Somit standen etliche Hand-
lungen der fachlichen und ethischen Expertise der Pflege als Profession
und ihren Grundüberzeugungen entgegen: „Unsere physische Präsenz ist
vielleicht das Kostbarste, was wir einander geben können.“22
16 Vgl. ICN-Ethikkodex für Pflegende 2012 (deutsche Fassung von 2014), Präambel,
in: https://www.dbfk.de/media/docs/download/Allgemein/ICN-Ethikkodex-2012-
deutsch.pdf [21.06.2020].
17 Vgl. ICN-Ethikkodex, Element 1; explizit auch in: Charta zur Betreuung schwerst-
kranker und sterbender Menschen in Deutschland, Leitsatz 1, unter: https://www.
charta-zur-betreuung-sterbender.de/die-charta_leitsaetze.html [21.06.2020].
18 Vgl. ICN-Ethikkodex, Element 1; Pflege-Charta, Artikel 4, Artikel 6, Artikel 8, un-
ter: https://www.wege-zur-pflege.de/pflege-charta/ [21.06.2020].
19 Gertzen, Streicheleinheiten im Altersheim.
20 https://www.aem-online.de/fileadmin/user_upload/2020_05_12_Pflegeethische_R
eflexion_Papier.pdf [21.06.2020].
21 Großklaus-Seidel, Ethik im Pflegealltag, 96; sie zitiert Hartmut Remmers.
22 Guiver, Company of voices, 35.
Corona und die Alten – um wen sorgen wir uns wirklich?
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik