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schen herbeizuführen,15 was bei den allgemein zugänglichen Informatio-
nen über COVID-19 seit März 2020 gegeben ist, wenn es jemand ernstlich
für möglich hält und sich damit abfindet, selbst infiziert zu sein. Die sub-
jektive Einschätzung der genannten Infektion als minder gefährlich spielt
hier keine Rolle, weil es nur auf die objektive Anzeige- bzw. Meldepflicht
ankommt. Nur wenn jemand die eigene Infektion nicht erkennt, wird der
für §178 StGB erforderliche Vorsatz fehlen.
Eine fahrlässige Gefährdung mit übertragbaren Krankheiten (§179 StGB)
lässt sich wohl nicht in Fällen begründen, in denen jemand davon ausgeht,
selbst infektionsfrei zu sein. Hier kann die bloĂźe Verletzung von Ausgangsbe-
schränkungen mangels „typischer Gefährdungseignung“ des gesetzten Ver-
haltens nicht als ausreichend fĂĽr die Tatbestandsverwirklichung angesehen
werden. Dies ergibt sich aus der StoĂźrichtung des genannten Delikts, die
Gefährdung von Menschen durch ansteckende Krankheiten zu verhin-
dern. Für Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen ist die Sanktionierung
nach den verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen ausreichend.16
MaĂźnahmen im Bereich des Strafprozessrechts
Das Ziel der COVID-19-Krise, Menschen in ihrem täglichen Lebensbereich
vor Ansteckung zu schützen, hat zu wesentlichen Veränderungen im Straf-
verfahrensrecht geführt, da Verfahren von persönlichen Interaktionen le-
ben. Im Folgenden wird auf die im Rahmen von COVID-19-MaĂźnahmen
erleichterte Möglichkeit von Videovernehmungen sowie die faktische Be-
schränkung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung eingegangen, mit
Blick auf die Beschränkung von Grundrechten. Besuchsbeschränkungen
bei der Untersuchungshaft (U-Haft) werden beim Strafvollzug mitbehan-
delt. Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass es auch Ände-
rungen gab, die Rechtsbrecher begünstigten, wie z.  B. die Verlängerung
der Fristen zur Erbringung von sanktionsersetzenden Leistungen im Zu-
sammenhang mit einer Verfahrenseinstellung (Diversion). Diese werden
im vorliegenden Beitrag aus PlatzgrĂĽnden jedoch nicht weiter darge-
stellt.17
3.
15 Vgl. Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 §178 Rz 9.
16 Siehe dazu Cohen, JSt 2020, S.204ff.
17 Eingehend zu den weiteren Änderungen in der StPO Birklbauer in Resch, Corona-
HB Kap 16 Rz 25ff.
Alois Birklbauer
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, MenschenwĂĽrde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik