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Die meisten Ănderungen im Bereich des Strafprozessrechts sind durch
§9 1. COVID-19-JuBG18 ergangen. Dabei erfolgten manche unmittelbar in
der StPO und ohne Befristung. Diese können in der Zukunft bei vergleich-
bar gehÀuften Erkrankungen leichter nutzbar gemacht werden, indem
nicht mehr auf entsprechende Sondergesetze gewartet werden muss. §9
1. COVID-19-JuBG rĂ€umt der Bundesministerin fĂŒr Justiz (BMJ) weitge-
hende VerordnungsermÀchtigungen zur Konkretisierung von bestimmten
MaĂnahmen ein.
Erleichterte Ermöglichung von Videovernehmungen
Eine zentrale Ănderung betrifft die (erleichterte) Vernehmung von Beschul-
digten und Zeugen per Video. Diese Möglichkeit wurde als gleichsame Alter-
native der âinnerstaatlichen Rechtshilfeâ bereits im Jahre 2010 in die Straf-
prozessordnung (StPO)19 eingefĂŒgt,20 allerdings nur fĂŒr die U-Haft und be-
grenzt auf den Fall, dass der Aufenthaltsort eines Zeugen oder Beschuldig-
ten auĂerhalb des Sprengels der zustĂ€ndigen Staatsanwaltschaft (StA) oder
des zustÀndigen Gerichts liegt und eine unmittelbare Vernehmung verfah-
rensökonomisch nicht zweckmĂ€Ăiger erscheint. Im Rahmen der
COVID-19-Krise wurde diese Möglichkeit nun auf FÀlle einer Pandemie
ausgedehnt (§174 Abs.1 Satz2 StPO21). Videovernehmungen beim Pflichtver-
hör zur U-Haft-VerhÀngung wurden damit auch dann zulÀssig, wenn der Be-
schuldigte direkt in der Justizanstalt des zustÀndigen Gerichts angehalten
wird. Damit sollen COVID-19-Erkrankungen durch direkten persönlichen
Kontakt zwischen HÀftlingen, Bediensteten der Justizanstalt und Angehö-
rigen von Gericht und StA möglichst verhindert werden. Mit demselben
Ziel wurden Videovernehmungen bei Verhandlungen zur U-Haft-
VerlÀngerung ermöglicht (§176 Abs.3 StPO).
Da die Möglichkeit fĂŒr derartige Videovernehmungen nach dem Geset-
zeswortlaut auf das Vorliegen einer Pandemie oder eine Verordnung der
BMJ zur VerhĂŒtung und BekĂ€mpfung anzeigepflichtiger Krankheiten be-
schrÀnkt ist, sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die VerhÀlt-
3.1
18 Bundesgesetz betreffend BegleitmaĂnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1.
COVID-19-Justiz-Begleitgesetz â 1. COVID-19-JuBG); BGBl.I 16/2020. Dieses Ge-
setz tritt gemÀà seinem §12 mit 31.12.2020 auĂer Kraft.
19 StrafprozeĂordnung 1975 (StPO); BGBl.1975/631.
20 BGBl.I 111/2010.
21 BGBl.I 14/2020.
Die VerhĂ€ltnismĂ€Ăigkeit der Covid-19-MaĂnahmen aus strafrechtlicher Sicht
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, MenschenwĂŒrde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik