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Satz StVG39) für die Dauer von COVID-19-Maßnahmen, also längstens
bis 31.12.2020, anzuordnen, während §10 Z 4 1. COVID-19-JuBG generell
einen Vollzugsaufschub (§6 Abs.1 StVG) für Freiheitsstrafen bis zu drei Jah-
ren ermöglicht, um den Zugang in den Strafvollzug zu beschränken. Da-
rüber hinaus ermächtigt §10 Z 3 1. COVID-19-JuBG dazu, mit COVID-19
infizierte Personen oder solche, die wegen Kontakts mit infizierten Perso-
nen unter Quarantäne stehen, gemäß §5 StVG als (ursprünglich) und
§133 StVG als (nachträglich) vollzugsuntauglich einzustufen. Dies bedeutet
nicht, dass diese Personen in jedem Fall auf freiem Fuß bleiben oder ent-
haftet werden, sondern allenfalls eine Haft anderer Art (z. B. in einer öf-
fentlichen Krankenanstalt) vollzogen werden kann, wenn die Kapazitäten
der Justizanstalten zur medizinischen Behandlung und zu besonderen
Quarantänemaßnahmen erschöpft sind.40 Eine solche Haft anderer Art in
einer Krankenanstalt ist für den Verurteilten günstig, weil er durch seine
Krankheit ohnehin in seiner Freiheit beschränkt ist und mit dem „beson-
deren Strafvollzug“ im Ergebnis einen Teil seiner Freiheitsstrafe auf diese
Weise verbüßt.
Die Umsetzung dieser positiv zu bewertenden gesetzlichen Ermächti-
gungen durch die BMJ war bemerkenswert. Nach §2 der entsprechenden
Verordnung41 war zwar bei einem Verurteilten, der sich auf freiem Fuß be-
fand, ein Strafantritt aufzuschieben42, davon wurden aber Verurteilte we-
gen einer in §33 Abs.2 StGB umschriebenen Tat (im Wesentlichen Ge-
walt im sozialen Nahbereich, in hohem Ausmaß oder unter Waffenein-
satz) oder sonst wegen eines bestimmten Sexualdelikts (§§201, 202, 205,
205a, 206, 207, 207a oder 207b StGB) ausgenommen. Durch diesen
Ausschluss bestimmter Tätergruppen vom Vollzugsaufschub war die Verord-
nung deutlich enger als es das Gesetz erforderte. Damit wurde letztlich
ausgedrückt, dass solche Straftäter weniger vor COVID-19-Infektionen zu
schützen sind, was unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten und mit
Blick auf die Menschenwürde mehr als bedenklich ist.
39 Bundesgesetz vom 26. März 1969 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und der
mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen (Strafvollzugs-
gesetz – StVG); BGBl.144/1969.
40 IA 397/A 27. GP S.39.
41 Verordnung der BMJ über besondere Vorkehrungen im Anwendungsbereich des
StVG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vom 26.3.2020; BGBl.II
120/2020. Die Verordnung tritt nach ihrem §10 mit 31.12.2020 außer Kraft.
42 Das ursprüngliche Aufschubdatum bis 30.4.2020 wurde mittlerweile auf
30.6.2020, in bestimmten Fällen sogar auf 31.10.2020 geändert (BGBl.II
184/2020); dazu näher Birklbauer in Resch, Corona-HB Kap 16 Rz 83/1.
Die Verhältnismäßigkeit der Covid-19-Maßnahmen aus strafrechtlicher Sicht
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik